Verlässlichkeit – stimmt das überhaupt?
Ein objektives Korrektiv ist gleichermaßen sinnvoll, wenn es um die Qualität und Verlässlichkeit der erhobenen Daten geht. Wie bereits angesprochen, birgt es große Risiken, sich bei gesundheitskritischen Werten ausschließlich auf die selbständige Messung per App oder wearable zu verlassen. Liegen Daten vor, die sich scheinbar außerhalb des Normbereichs bewegen, sollte deshalb immer eine Zweitmeinung eingeholt werden und zudem bedacht werden, dass einem Ergebnis möglicherweise schlichtweg eine Messungenauigkeit oder ein Messfehler zugrunde liegt.
Doch wie verlässlich sind die Messungen durchschnittlich betrachtet eigentlich und mit wie großen Abweichungen ist zu rechnen? Tatsächlich hat der technische Fortschritt der letzten Jahre dazu geführt, dass einzelne Größen heute mit beeindruckender Genauigkeit getrackt werden. Von den Nutzern mit am häufigsten verwendet werden die Optionen Schrittzähler, Herzfrequenz und Energieverbrauch. Eine Studie aus dem Jahr 2022 untersuchte in einer Erhebung mit insgesamt 65 Artikeln unter anderem sehr beliebte und häufig verkaufte Wearables wie die Apple Watch, die Fitbit Charge HR, Fitbit Flex 2 und Garmin Vivofit sowie GENEActiv und das Nike FuelBand. Es sticht ins Auge, dass die aktuellen Geräte vor allem in den Bereichen Schrittzählung und Herzfrequenz mittlerweile gut bis sehr gut abschneiden. Als wenig akkurat erwiesen sie sich dagegen beim Energieverbrauch.[1]
Zu den gleichen Ergebnissen kommt eine Untersuchung des University College Dublin. Auch hier wird die Genauigkeit bei der Messung der Herzfrequenz als gut bis sehr gut bewertet, ebenso die Einschätzung der VO2MAX. Beim Energieverbrauch lag dagegen eine Fehlerquote von −21,27 % bis 14,76 % vor, abhängig vom genutzten Gerät und der ausgeführten Aktivität.[2]
Wer durch den Sport primär Gewicht verlieren möchte, kommt also um alternative Formen des Trackings oder Gegensteuerns nicht herum. Geht es um andere Fragen der Gesundheitsförderungen, können die Wearables und damit verbundenen Apps eine hilfreiche Unterstützung darstellen. Allerdings ist weiterhin Vorsicht geboten, wenn konkrete Diagnosen gestellt werden. So sind einzelne Geräte bzw. Funktionen beispielsweise keineswegs für jeden Menschen gleich gut geeignet bzw. gleich funktional. Das gilt etwa für Pulsoximeter, die inzwischen ebenfalls für den Gebrauch zu Hause verfügbar sind: „Es gibt viele Studien, die zeigen, dass diese Oximeter die Sauerstoffsättigung im Blut von Menschen mit dunklerer Haut nicht gut messen können“, sagt Sharma. „Wegen der Studienergebnisse hat die US-Behörde für Lebens- und Arzneimittel vor diesen Geräten gewarnt. In Kliniken sind sie weit verbreitet, Menschen nutzen sie zu Hause, als Ergänzung zwischen ihren Arztbesuchen. Vor allem während der Covid-Pandemie.“[3]
Ein ähnliches Bild ergibt sich momentan beim Monitoring des eigenen Schlafverhaltens: Wearables tendieren nach wie vor dazu, die Gesamtzeit und Schlafeffizienz zu überschätzen, in der Regel um mehr als 10 %. Gleichzeitig unterschätzen sie die Schlaflatenz und die Wachzeiten nach Schlafbeginn. Im Vergleich zur Polysomnographie, dem aktuellen Goldstandard bezüglich der Messungen, wiesen die in einer Studie getesteten Geräte teils enorme Fehlerraten mit Abweichungen zwischen 12 und 180 % auf. [4]
Durchwachsen sind die Ergebnisse auch bei den Ernährungs- oder Abnehm-Apps, die in der letzten Zeit einen massiven Zuwachs verzeichnen. Hier werden den Nutzern inzwischen vielfältige Funktionalitäten zur Verfügung gestellt: „Die Apps basieren darauf, Kalorien zu reduzieren und mehr Bewegung einzuplanen. Mahlzeiten werden in einem Tagebuch protokolliert, um den Überblick über das eigene Essverhalten zu bekommen. Funktionen wie Kalorienzähler, Makro- und Mikronährstoff-Tracking dienen der Selbstbeobachtung und dem Selbstmanagement. Einzelne Lebensmittel können per Barcode-Scanner ausgelesen und hinzugefügt werden. Noom bietet zudem ernährungspsychologische Unterstützung durch einen „Coach “ (in Anfängergruppen und per Chat).[5]
Die grundsätzliche Idee einer App wird heute von vielen Forschern als positiv bewertet, da eine App einen niedrigschwelligen und leicht verfügbaren Einstieg darstellen kann und die Auseinandersetzung mit der eigenen Ernährung erleichtert. Laut einer Studie von Forschern der Universität Konstanz, der Universität Bayreuth, der Technischen Universität Chemnitz und der Universität zu Lübeck sind die meisten kommerziell verfügbaren Apps für die Bedürfnisse der Nutzern jedoch unzulänglich und werden daher meist nur kurzzeitig genutzt: „Unsere Ergebnisse legen nahe, dass viele kommerziell erhältliche Ernährungsapps nur unzureichend mit den Bedürfnissen der NutzerInnen übereinstimmen, und es daher schnell zu Motivationsverlusten hinsichtlich der kontinuierlichen Nutzung kommen kann.“[6]
Hinzu kommt, dass die viele der Apps, genau wie beim Kalorienverbrauch, auch bei der Analyse der aufgenommenen Nährstoffe noch wenig akkurat und somit nur bedingt brauchbar sind, wenn es darum geht, die eigene Ernährung von Grund auf zu gestalten und zu optimieren.[7] Als alleiniges Hilfsmittel für eine umfassende Ernährungsumstellung sind sie daher nicht geeignet und können die personalisierte, individuelle Betreuung nicht ersetzen.
Fazit: Ergänzung: ja, alleiniger Ersatz: nein.
Der Überblick über die verschiedenen Anwendungsformen und Einsatzbereiche hat gezeigt, dass Wearables und Apps mittlerweile eine feste Größe in der Trainingslandschaft darstellen. Diese Entwicklung bietet durchaus Chancen und Potenziale, etwa wenn es darum geht, Daten zur Trainingsplanung und -steuerung zu generieren oder Informationen und Inspiration in neuen Formaten zur Verfügung zu stellen. Unter diesem Gesichtspunkt ist die Entwicklung somit durchaus begrüßenswert und bietet zahlreiche sinnvolle Einsatzmöglichkeiten. Dennoch sollten bei aller Technik-Euphorie gleichzeitig die Schattenseiten im Blick behalten werden. Dazu zählen insbesondere eventuelle Messungenauigkeiten und -fehler sowie die vielfach gegebene Datenschutzproblematik.
Darüber hinaus sind die Vorzüge einer persönlichen und individuellen Betreuung heute vielleicht wichtiger denn je: In Zeiten, in denen Bewegung leider keine Selbstverständlichkeit mehr ist und bestimmte Grundfähigkeiten nicht mehr vorausgesetzt werden können, bedarf es vielfach einer weit persönlicheren und intensiveren Betreuung und Begleitung als sie durch eine App oder ein Online-Programm geleistet werden können. Noch größer wird diese Notwendigkeit, wenn gesundheitliche Beschwerden vorliegen oder tiefgreifende Maßnahmen geplant sind wie etwa eine umfassende Ernährungsumstellung oder der Aufbau einer ganz neuen Bewegungsroutine. Sich in diesen Fällen ausschließlich auf eine App oder ein Gadget zu verlassen, geht mit sehr geringen Erfolgschancen einher und birgt zudem erhebliche Risiken, etwa durch Überlastung oder die Wahl von Programmen, die für die persönlichen Voraussetzungen ungeeignet sind. Zumindest in diesem Bereich ist es daher angeraten, weiterhin qualifizierte Experten heranzuziehen und die App ggf. als Zusatz zu nutzen. Geht es um das reguläre Training zeichnet sich ab, dass die technischen Anwendungen immer besser werden und in Zukunft voraussichtlich noch deutlich mehr leisten werden. Was dabei jedoch auf der Strecke bleibt: das soziale Miteinander und der Spaß daran. Schon allein aus diesem Grund lohnt es sich, auch zukünftig auf menschliche Interaktion zu setzen und die digitale Begleitung als Ergänzung aber nicht als alleinigen Trainingspartner zu nutzen!
Fragen oder Interesse an einem weiteren Austausch? Ich freue mich über alle Nachrichten!
Sabine Nunius | sabine.nunius@sanu-training.com
[1] Germini F, Noronha N, Borg Debono V, Abraham Philip B, Pete D, Navarro T, Keepanasseril A, Parpia S, de Wit K, Iorio A. Accuracy and Acceptability of Wrist-Wearable Activity-Tracking Devices: Systematic Review of the Literature. J Med Internet Res. 2022 Jan 21;24(1):e30791. doi: 10.2196/30791. PMID: 35060915; PMCID: PMC8817215.
[2] https://www.ucd.ie/newsandopinion/news/2024/august/20/opinionhowaccuratearewearablefitnesstrackerslessthanyoumightthink/, abgeruf. 23.03.2025
[3] https://www.deutschlandfunkkultur.de/Wearables-daten-gesundheitsapps-100.html, abgeruf. 23.03.2025
[4] https://www.ucd.ie/newsandopinion/news/2024/august/20/opinionhowaccuratearewearablefitnesstrackerslessthanyoumightthink/, abgeruf. 23.03.2025
[5] https://www.ernaehrungsradar.de/abnehm-apps/, abgeruf. 23.03.2025
[6] https://www.psychologie.uni-konstanz.de/renner/aktuelles/aktuelle-meldungen/aktuelles-detail/ernaehrungsapps-besser-verstehen-und-einsetzen/, abgeruf. 23.03.2025
[7] Fallaize R, Zenun Franco R, Pasang J, Hwang F, Lovegrove J
Popular Nutrition-Related Mobile Apps: An Agreement Assessment Against a UK Reference Method
JMIR Mhealth Uhealth 2019;7(2):e9838
URL: https://mhealth.jmir.org/2019/2/e9838
DOI: 10.2196/mhealth.9838
