PAILs x RAILs – Durch isometrisches Laden den Bewegungsspielraum erweitern
Nachdem wir die grundlegenden Techniken der Controlled Articular Rotations sowie die erweiternden Übungen im Bereich Loaded Mobility kennengelernt haben, geht es heute um PAILs & RAILs.
Zunächst einmal, wofür stehen die Kürzel?
Es handelt sich um Progressive Angular Isometric Load bzw. Regressive Angular Isometric Load. An den Begriffen solltest du dich allerdings direkt mal nicht aufhängen! Was wichtig ist, ist das Prinzip des bewussten Beladens einer Struktur bzw. eines (oder mehrerer Gelenke). Außerdem sagt uns das Wort „isometrisch“, dass keine große Bewegung innerhalb der Übung stattfindet. Wie die Begriffe „progressiv“ und „regressiv“ da reinpassen, erklärt sich später wie von selbst. Zum Grundprinzip dieser, von Dr. Andreo Spina (functionaltrainingseminars.com) entwickelten bzw. geordneten Möglichkeit der bewussten Erweiterung deiner sicheren Mobilität: Es geht darum den Grad an sicher durchzuführender Bewegung zu erweitern. Es ist mir enorm wichtig zu betonen, dass genau das einer der Hauptgründe ist, diese Methode anzuwenden: Das (bewusste) Erweitern deines Sicherheitsempfindens für bestimmte (endgradige) Positionen! Das geschieht natürlicherweise nicht nur bewusst im Sinne von durch dich beeinflusst, sondern auch bereits viel früher, nämlich unterbewusst auf neuronaler Ebene. Soll heißen, dass du dich ausschließlich kontrolliert in Bewegungsbereiche begeben kannst, die dein Nervensystem als sicher erachtet. Diese Sicherheit zu erwirken benötigt Kontinuität und Geduld. Es ist mir zudem ein Anliegen, darauf hinzuweisen, dass – wie bei allem im Leben – die Atmung eine große Rolle spielt. Ich würde sogar sagen, dass sich diese Art Training besonders gut eignet um gleichzeitig deinen Atem zu trainieren. Und, die eigentliche Sicherheit bzw. das Sichern von Bewegungsgraden geschieht immer im eigentlichen Training! Du solltest also auch bewusst anwenden, was du dir hier erübst.
Hier noch einige Key-Facts zu PAILS x RAILS:
Das tolle an dem Konzept ist, dass du aufgrund des Prinzips der reziproken Hemmung (…), praktisch jeden klassischen Stretch nutzen kannst. Es geht dabei darum, einen Muskel bewusst und relativ lange passiv zu dehnen, bevor du aktiv in die direkte Gegenbewegung gehst, um anschließend, ebenfalls aktiv, weiter in die eigentliche Dehnung reinzugehen. Zum genauen Ablauf später mehr. Diesem Prinzip folgend, geht es ausdrücklich nicht darum eine große Bewegung innerhalb der Übung zu erwirken. Wir bewegen uns bereits endgradig, sprich am Limit dessen, was du im Moment zu leisten im Stande bist. Die Übungen sollten sich soweit es geht isoliert auf die jeweilige Struktur bzw. Erweiterung deines Bewegungsradius beziehen, weshalb es absolut erwünscht ist, dass du dir zahlreiche Hilfsmittel nimmst, um das hinzubekommen (auch dazu später mehr). Die Anpassung erfolgt langsam und stetig. Sie erfordert Geduld und Beharrlichkeit – SLOW GRIND ist angesagt! Klar solltest du diese Art des Trainings, wie jede andere Art des Trainings in einem Gesamtkontext nutzen, also wissen, warum, wieso und weshalb du exakt diese Übung machst bzw. machen lässt. Nochmals der Verweis auf den sinnvollen Transfer zum eigentlichen Training.
Und so läuft das Ganze ab:
- Warm-Up: Erhöhen der allgemeinen Körpertemperatur, ggf. gezielte, externe Erwärmung
- Trainingsreihenfolge: Gelenkkapsel (CARs) —> ein Gelenk —> (mehrere Gelenke)
- Ablauf:
- Begib dich in deinen Stretch.
- Gehe aktiv bis zu dem Punkt, wo es nicht mehr weiter zu gehen scheint, allerdings noch zu ertragen ist und halte diese Position passiv für (möglichst) zwei Minuten.
- Versuche innerhalb der zwei Minuten den Winkel/deine Haltung zu optimieren, um die Spannung zu maximieren
- Atme nun ein.
- Baue langsam Spannung im gerade gedehnten Gewebe auf, während du die Luft im Körperkern hältst.
- Wenn die Spannung steigt, lasse zu, dass sie auch auf umliegendes Gewebe überspringt.
- Versuche dauerhaft eine starke Körperkernspannung zu halten (keep the power inside), dabei jedoch möglichst effektiv zu atmen.
- Versuche die maximale Spannung zu halten, so lange es dir möglich ist (realistisch sind zu Beginn 10-15 Sekunden).
- Nun entspannst du dieses Gewebe, um unmittelbar AKTIV(!) in den vorherigen Stretch zu gehen.
- Du spannst hierfür also an, was den Stretch tiefer werden lässt. Es folgen mehrere Beispiele dazu (…).
- Agiere hierbei vorsichtig, da du sonst nicht nur Krämpfe sondern ggf. Schlimmeres hervorrufst.
- Entspanne nun wieder und bewege dich in deinen neuen, passiven Ausgangspunkt und wiederhole das Ganze.
Beispiele zum Thema Unterkörper:
- Couch Stretch: Ein Klassiker aus dem Bereich Streichung und Mobility. Wird oft als reiner Hüftöffner im Sinne der Dehnung bzw. Detonisierung des Hüftbeugers gehandelt. Gleichwohl er, korrekt ausgeführt, auch auf den m. quadrizeps abzielt und damit sehr gute Effekte für die Kniegesundheit haben kann. Ein weiterer wichtiger Punkt ist sicherlich auch das „leveling“ der Beckenhöcker, also die Ausrichtung deines Beckens zu verbessern. Durch die hüftöffnende Komponente kommt es natürlich auch zu einer verbesserten Ansteuerung der Hüftstrecker sowie grundsätzlich zu einer besseren Spannung im Körperkern. Alles in allem also eine gute Übung für die gesamte Beinachse.
Couch Stretch:

Ausgangsposition: Du kniest vor einer Bank, einer Couch (daher der Name) oder einer ähnlichen Erhöhung mit einem Bein ab. Der andere Fuß steht stabil, das Knie bei etwa 90 Grad Flexion. Aus Gründen der Bequemlichkeit sowie der besseren Durchführung, würde ich hier ein Balance-Pad unter das Knie legen. Der Unterschenkel liegt fest an der Bank an. Achte darauf, dass du dich hier bereits am Ende deiner natürlich möglichen Bewegungsausmaß befindest.
Zusätzlich empfehle ich einen Stab oder Stick, der dir hilft deinen Rumpf aufrecht und relativ neutral zu halten. Körperspannung in der Körpermitte bleibt selbstredend unerlässlich. Versuche deinen Brustkorb und dein Becken übereinander passend auszurichten.
Ausführung:
- Halte den Couch Stretch für 2 Minuten (oder die Zeit, die du hinbekommst)
- Beginne damit langsam Spannung in dem Muskel aufzubauen, den du gerade dehnst. In diesem Fall also – Drück deinen Fuß gegen die Bank – strecke dein Bein gegen die Bank.
- Du baust den Druck stetig über 10 Sekunden auf, von 20 % auf 40 %, auf 60 % auf 80 %, bevor du schließlich die gerade möglichen 100 % 10-15 Sekunden hältst.
- Jetzt bewegst du dich AKTIV mehr in die Dehnung hinein – in dem Fall durch Anspannen deiner Hamstrings – und versuchst auch das 10-15 Sekunden zu halten.
- Achtung: Krampfgefahr!
- Atme währenddessen möglichst gleichmäßig und vollständig durch die Nase ein und aus.
- Anschließend begibst du dich angenehm passiv in deine neue maximale Dehnposition.
- Wiederhole den Ablauf.
90/90 Sitz: Dieser Sitz sollte Bestandteil eines jeden Hüftprogramms bzw. Trainingsplans sein! Die Übung bringt dich einseitig (vorne liegendes Bein) in eine Außenrotation der Hüfte, und einseitig (hinten liegendes Bein) in eine Innenrotation deines Hüftgelenks. Warum das sehr viel Sinn im Alltag macht, kannst du nachvollziehen, wenn du dir die Funktion deiner Hüfte vor Augen führst. Das Hüftgelenk ist nicht nur das zweitgrößte Gelenk im Körper, es kommen ihm auch maßgebliche stabilisierende sowie verbindende Funktionen zu. Ein aufrechter Gang wäre ohne ein gesundes Hüftgelenk ebenso schwierig, wie aufrecht auf zwei Beinen, geschweige denn auf einem Bein zu stehen zu können oder komplexere Abläufe wie einen Split Squat auszuführen. Es handelt sich also um Fundamentale, auf deren einwandfreie Funktion es aufzubauen gilt.
90/90 Sitz

Ausgangsposition: Du sitzt auf einer Matte und bringst beide Beine möglichst auf 90Grad-Beugung in Hüft- Knie- und Sprunggelenk. Um das zu verwirklichen gehst du einerseits in eine Innenrotation deiner Hüfte (Innenseite des Beins liegt auf), einmal in eine Außenrotation (Außenseite des Beins liegt auf). Stütze dich gerne mit Hilfsmitteln oder deinen Händen ab, um eine effektive Rumpfposition (Stacking) hinzubekommen.
Ausführung 1 – Außenrotation:
- Halten den 90|90 Sitz zum vorderen Bein ausgerichtet für 2 Minuten (oder die Zeit, die du hinbekommst)
- Beginne damit langsam Spannung in den Muskel aufzubauen, den du gerade dehnst. In diesem Fall also – Drück deinen vorderen Fuß in den Boden.
- Du baust den Druck stetig auf, von 20 % auf 40 %, auf 60 % auf 80 %, bevor du schließlich die gerade möglichen 100 % 10-15 Sekunden hältst.
- Jetzt bewegst du dich AKTIV mehr in die Dehnung hinein – in dem Fall eine Beckenkippung nach vorne (Nutation) – und versuchst auch das 10-15 Sekunden zu halten.
- Achtung: Krampfgefahr!
- Atme währenddessen möglichst gleichmäßig und vollständig durch die Nase ein und aus.
- Anschließend begibst du dich angenehm passiv in deine neue maximale Dehnposition.
- Wiederhole den Ablauf.
Ausführung 2 – Innenrotation:
- Hatte den90|90 sitz mit Ausrichtung zum hinteren Bein für 2 Minuten (oder die Zeit, die du hinbekommst)
- Beginne damit langsam Spannung in den Muskel aufzubauen, den du gerade dehnst. In diesem Fall also – Drück dein hinteres Bein in die Matte.
- Du baust den Druck stetig auf, von 20 % auf 40 %, auf 60 % auf 80 %, bevor du schließlich die gerade möglichen 100 % 10-15 Sekunden hältst.
- Jetzt bewegst du dich AKTIV mehr in die Dehnung hinein -hier eine aktive Rumpfrotation zum betreffenden Bein sowie eine Konternutation – und versuchst auch das 10-15 Sekunden zu halten.
- Achtung: Krampfgefahr!
- Atme währenddessen möglichst gleichmäßig und vollständig durch die Nase ein und aus.
- Anschließend begibst du dich angenehm passiv in deine neue maximale Dehnposition.
- Wiederhole den Ablauf.
- Dorsalflexion im Sprunggelenk: Sehr sinnvolle Übung für Jede/n, insbesondere dann, wenn dich ein Thema in der Beinachse beschäftigt. Die Möglichkeit den Fuß ordentlich abrollen zu können ist bei jedem Schritt entscheidend, weshalb es Sinn macht, den sicheren Bewegungsbereich bewusst zu erweitern. Von einem mobilisierten, damit gesund funktionierenden Sprunggelenk in der Dorsalflexion profitierst du als bei jedem Schritt und Tritt.
Dorsalflexion Sprunggelenk

Ausgangsposition: Du sitzt abgekniet auf der Matte. Bewusst stellst du den anderen Fuß nach vorne und winkelst dein Knie 90 Grad ab. So bist du zusätzlich in der Lage dich nach vorne zu schieben, denn darum geht es. Das Knie über die Fußspitzen zu schieben, während die Ferse (sie kann zusätzlich mit einer Hand fixiert werden) am Boden bleibt. Agiere dabei stets vorsichtig und langsam, um deine Achillessehne nicht zu überfordern.
Ausführung:
- Hatte den Dorsalflexionsöffner Fuß für 2 Minuten (oder die Zeit, die du hinbekommst).
- Beginne damit langsam Spannung in den Muskel aufzubauen, den du gerade dehnst. In diesem Fall also – Drück deinen Fuß gegen die Bank.
- Du baust den Druck stetig auf, von 20 % auf 40 %, auf 60 % auf 80 %, bevor du schließlich die gerade möglichen 100 % 10-15 Sekunden hältst.
- Jetzt bewegst du dich AKTIV mehr in die Dehnung hinein – in dem Fall eine Aktivierung des Fußhebers – und versuchst auch das 10-15 Sekunden zu halten.
- Achtung: Krampfgefahr!
- Atme währenddessen möglichst gleichmäßig und vollständig durch die Nase ein und aus.
- Anschließend begibst du dich angenehm passiv in deine neue maximale Dehnposition.
- Wiederhole den Ablauf.
Im folgenden Heft wird es weitere Inspirationen geben. Dann zum Thema Oberkörper. Wie immer bleibt zu sagen, dass du sicher trainieren solltest. Keine Experimente auf Kosten deiner oder gar der Gesundheit deiner Klient*innen. Trainiere selbst erstmal sicher und reflektiere, was du trainierst, bevor du es anderen Menschen näherbringst. Für praktische Einblicke sei dir noch die Fortbildung „MOBILITY 2.0“ bei der deutschen Fitnesslehrervereinigung ans Herz gelegt. Hier dreht sich alles ums Thema Mobilität und explizit auch um das System FRC. Ich freue mich, wenn du auf meinen Social-Media-Plattformen Instagram (@hannesrosen.de), Facebook oder YouTube (beide „HannesRosenGesundheitsCoaching“) vorbeischaust, likst, kommentierst und natürlich folgst und teilst, wenn dir zusagt, was du siehst und hörst. Weitere Infos und immer aktuelle News findest du auch auf www.hannesrosen.de Fragen und Anregungen gerne an info@hanensrosen.de.
Vielen Dank für deine Aufmerksamkeit, alles Gute und MEHR LEBENSENERGIE.
Sportliche Grüße, Hannes
