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Die allermeisten von uns dürften diese Erfahrung kennen: Bewegung in der Natur tut gut und macht Spaß. Zeigen sich nach einem langen Winter die ersten Sonnenstrahlen oder besteht im Sommer die Aussicht auf einen herrlichen, wohltemperierten Tag, zieht es uns förmlich ins Freie. Erste Wahl sind dann Umfelder wie Gartenanlagen, Parks, Wälder, Gebirgslandschaften, Seen oder Flussufer. Mit anderen Worten, wir wählen intuitiv „grüne“ oder „blaue“ Umgebungen, also Plätze mit grünen Flächen, Pflanzen, Bäumen oder Wasser. Insbesondere dann, wenn wir Erholung suchen, sprechen uns natürliche Umgebungen besonders an und haben eine stärkere regenerative Wirkung als beispielsweise städtische oder stark bebaute Gegenden. Selbst wenn wir in beiden Umgebungen jeweils die gleichen Aktivitäten ausführen, etwa einen Kaffee trinken, unser Mittagessen einnehmen oder Sport treiben, ist der Effekt in der Natur ein anderer. So fühlen wir uns nach einem Aufenthalt im Freien meist deutlich erholter und frischer, als wenn wir die Zeit in Innenräumen oder städtischen Umfeldern verbringen. Hinzu kommt, dass die Erholung in der Natur „mehrdimensional“ ist. Denn die regenerative Wirkung macht sich auf körperlicher wie auf mentaler Ebene bemerkbar und bringt uns ganzheitlich in Balance. Die Natur erlaubt es uns somit, uns umfassend zu regenerieren und unsere Energiereserven wieder aufzufüllen.

Dieser Effekt lässt sich gezielt einsetzen! Das gilt gleich in mehrfacher Hinsicht, denn die förderliche Wirkung kommt uns in einer ganzen Reihe von Bereichen zugute. An vorderster Stelle stehen dabei die beiden großen Felder „Entspannung und Regeneration“ einerseits, sowie „Training und Leistungssteigerung“ andererseits. Allerdings beeinflussen sich diese beiden Felder gegenseitig. Von daher bietet es sich an, sie als Einheit zu betrachten und bei der Gestaltung des eigenen (Trainings-)Alltags stets beide Komponenten in den Blick zu nehmen.

Mit grünen Umgebungen Stress abbauen und Erholung finden

Den Aspekten Regeneration und Stressabbau kommt derzeit eine sehr große Bedeutung zu. Dies gilt nicht zuletzt für Menschen, die in urbanen Umfeldern leben. Es zeichnet sich zunehmend ab, dass das Leben in städtischen Räumen mit zusätzlichen Stressfaktoren verbunden ist, die aus der Gestaltung der direkten Lebensumgebung resultieren. Diese Komponente ist in der Städteplanung lange Zeit vernachlässigt worden und kommt nun immer stärker zum Tragen. Die Entwicklungen der letzten Jahre haben dazu beigetragen, dass das Thema noch einmal an Brisanz gewonnen hat. So haben beispielsweise in den Jahren während der Pandemie mehr Menschen Zeit im Homeoffice verbracht als je zuvor – mit der Folge, dass räumliche Beschränkungen und der Mangel an Erholungsmöglichkeiten in leicht erreichbarer Nähe deutlich stärker spürbar wurden. Einige ländlichere Regionen erlebten und erleben dadurch einen regelrechten Aufschwung. Ebenso wird die Situation durch den Klimawandel mit immer längeren Hitzeperioden in den Sommermonaten verschärft. Viele Städte sind dafür noch schlecht gerüstet und nun gezwungen zu reagieren, etwa in Form von Hitzeschutzplänen und Maßnahmen, die dafür sorgen, die Temperaturen in den Innenstädten abzusenken, zum Beispiel durch Bepflanzungen und die Einrichtung von beschatteten Plätzen.

Derartige Maßnahmen werden mittlerweile als so dringlich eingeordnet, dass sich hochrangige, international tätige Organisationen wie die WHO mit der Problematik auseinandersetzen und zu Gegenmaßnahmen aufrufen. Eine zentrale Komponente bei diesen Bestrebungen ist die Einrichtung grüner Räume, die offen zugänglich und für viele Menschen verfügbar sind. In einem entsprechenden WHO-Bericht heißt es dazu:

“Modern urban life style is associated with chronic stress, insufficient physical activity and exposure to anthropogenic environmental hazards. Urban green spaces, such as parks, playgrounds, and residential greenery, can promote mental and physical health, and reduce morbidity and mortality in urban residents by providing psychological relaxation and stress alleviation, stimulating social cohesion, supporting physical activity, and reducing exposure to air pollutants, noise and excessive heat.”

Der moderne, städtische Lebensstil steht in Verbindung mit chronischem Stress, unzureichender physischer Aktivität und der Exposition gegenüber anthropogenen Umweltgefahren. Urbane Grünflächen wie Parks, Spielplätze und Wohnbegrünungen können die mentale und die physische Gesundheit fördern und Morbidität wie Mortalität reduzieren, indem sie psychologische Entspannung und Stressabbau bieten, den sozialen Zusammenhalt fördern, physische Aktivität unterstützen und die Exposition gegenüber Luftverschmutzung, Lärm und übermäßiger Hitze reduzieren.“ [Übersetzung Sabine Nunius]

Bereits dieser kurze Auszug zeigt, wie vielfältig und weitreichend die potenziellen negativen Auswirkungen eines Mangels an natürlichen, grünen Umfeldern sind. Umgekehrt bietet sich an dieser Stelle jedoch ein enormes Potenzial, da sich durch die Einrichtung von grünen Räumen in einer Vielzahl von Bereichen Verbesserungen erzielen lassen. Diese beeinflussen sowohl unsere mentale als auch unsere physische Gesundheit. Studien zeigen, dass „grüne“ sowie „blaue“ Umfelder – also Landschaften mit Wäldern, grüner Natur und Wasser – unter anderem unsere Stimmung heben und unsere Aufmerksamkeit verbessern. Es liegen zudem Hinweise vor, dass sie physiologische Marker wie Herzfrequenz, Blutdruck und Cortisolspiegel positiv im Sinne einer Stressreduktion beeinflussen. Ebenso bieten sie einen deutlichen Mehrwert, wenn es um Erholung und Regeneration geht. So scheinen wir uns in der Natur effektiver von psychischem Stress und mentaler Erschöpfung zu erholen. Diese Wirkung lässt sich bereits präventiv nutzen, also dann, wenn es darum geht, sicherzustellen, dass die eigenen Energiereserven regelmäßig wieder aufgefüllt werden. Damit sind Aufenthalte in der Natur und „green exercise“, Sport in natürlichen Umgebungen, ein perfektes Mittel, um das allgemeine Stresslevel zu senken und Erkrankungen vorzubeugen. Ein weiterer Vorteil: Viele von uns genießen es, Zeit in der Natur zu verbringen und empfinden Sport, Bewegung und Erholung im Freien als angenehm. Damit handelt es sich um eine Win-Win-Situation. Einerseits fördern und erhalten wir unsere Gesundheit, andererseits haben wir Spaß und verbringen eine gute Zeit, egal ob allein oder mit Freunden oder der Familie. Im Idealfall ist die Natur darüber hinaus eine kostenlose, leicht verfügbare Ressource. Wer die Gelegenheit dazu hat, sollte also unbedingt von ihr Gebrauch machen!

Die „grüne“ Wirkung im Detail

Allein aufgrund ihrer eigenen Erfahrungen würden die meisten Menschen der Natur wohl eine beruhigende und regenerative Wirkung bescheinigen – zumindest dann, wenn wir von grundsätzlichen Tendenzen sprechen und Erfahrungen wie Heuschnupfen, plötzliche Gewitter oder ähnliche Erlebnisse oder persönliche Einschränkungen außen vor lassen und stattdessen (annähernd) von Idealbedingungen ausgehen. Doch auch die Wissenschaft hat sich in den letzten Jahren zunehmend mit der Frage auseinandergesetzt, woraus genau die beschriebene Wirkung natürlicher Umfelder resultiert und welche messbaren Ergebnisse zu verzeichnen sind. Derartige Erkenntnisse sind notwendig, um künftige Maßnahmen besser und gezielter zu planen und einzusetzen. Das gewonnene Wissen erweist sich, um nur einige Beispiele zu nennen, in so unterschiedlichen Bereichen wie dem Städtebau, der Trainingslehre und der Psychotherapie als wertvoll.

Angesichts der enormen Vielzahl an Wirkmechanismen sollen nachfolgend lediglich einige ausgewählte Aspekte beleuchtet werden, die für den Bereich Training, Regeneration und allgemeines Wohlbefinden besonders relevant sind. Im Fokus stehen vor allem diejenigen Punkte, die Aufschlüsse darüber geben, wie sich natürliche Umfelder am besten praktisch nutzen lassen und was es zu beachten gilt.

Steigerung des allgemeinen Wohlbefindens – wie lange dauert der optimale Aufenthalt?

Geht es um Aufenthalte in der Natur und ihre Wirkung stellt sich unter anderem die Frage nach der optimalen Zeitdauer bzw. der Mindestverweildauer im Grünen, um überhaupt etwas zu spüren. Diese Frage ist sicherlich von individuellen Faktoren abhängig. Darüber hinaus ist die Umsetzung in der Praxis durch die gegebenen Möglichkeiten bzw. den Rahmen des realistisch Machbaren limitiert. Die meisten von uns können schlichtweg nicht einfach ganze Tage in der Natur verbringen. Doch selbst wenn man diese praktischen Überlegungen ausblendet und sich auf die theoretisch optimalen Zeiten konzentriert, herrscht in der Wissenschaft bislang kein Konsens darüber, wie viel Zeit wir in der Natur verbringen müssten, um den maximalen Effekt zu erzielen. Es besteht somit noch Studienbedarf darüber, welche “Expositionszeiten” notwendig sind, damit Aufenthalten in der Natur unser Wohlbefinden positiv beeinflussen. Eine vergleichsweise neue Studie zu diesem Thema kommt zu folgendem vorläufigem Ergebnis:

„Gegenüber keinem Naturkontakt in der Vorwoche, lag die Wahrscheinlichkeit, dass gute Gesundheit oder ein hohes Maß an Wohlbefinden angegeben wurden, bei Kontaktzeiten ≥120 min (z. B. 120–179 min: ORs [95%CIs]: Health = 1.59 [1.31–1.92]; Well-being = 1.23 [1.08–1.40]) signifikant höher. Die positiven Assoziationen waren am stärksten ausgeprägt bei Zeiten zwischen 200-300 Minuten pro Woche. Anschließend wurden keine weiteren Zuwächse verzeichnet. Das Muster zeigte sich durchgängig bei allen Kerngruppen, einschließlich älteren Erwachsenen und Probanden mit Langzeitbeschwerden. Es spielte keine Rolle, wie die 120 Minuten Kontaktzeit pro Woche erreicht wurden (z. B. ein langer gegenüber mehreren kürzeren Aufenthalten pro Woche).“ [Übersetzung Sabine Nunius]

Daraus lässt sich das vorläufige Fazit ziehen, dass wir idealerweise in Summe 200 bis 300 Minuten pro Woche in der Natur verbringen sollten, was etwa 4 bis 5 Stunden entspricht. Doch offensichtlich lassen sich erste Effekte bereits nach weitaus kürzerer Zeit beobachten. Die Umweltmedizinerin Daniela Haluza weist in einer ihrer Studien darauf hin, dass die subjektiv empfundene Müdigkeit schon nach wenigen Minuten Freizeit im Wald abnimmt. Man darf also davon ausgehen, dass letztendlich jede genutzte Gelegenheit für Aufenthalte in der Natur förderlich ist und einen Beitrag zu unserem Wohlbefinden leistet.

Mehrdimensionaler Effekt – wirksame Hilfe bei Stress

Die Umweltmedizinerin Haluza betont darüber hinaus, dass neben dieser kurzfristigen, subjektiven Erholungswirkung bedeutende Langzeiteffekte eintreten. So „tragen Waldaufenthalte zur körperlichen Erholung und Regeneration, zur Stärkung der Immunabwehr und zur Verbesserung der Schlafqualität bei.“ Diese Wirkung ist grundsätzlich günstig und für alle Menschen förderlich. Besonders stark zum Tragen kommt sie jedoch bei Stressbelastungen. Denn diese wirken sich langfristig unter anderem auf das Immunsystem und den Schlaf aus. Sämtliche Gegenmaßnahmen, die derartigen Tendenzen entgegenwirken, tragen dazu bei, die Folgen abzumildern und die Belastung zu verringern. Berto et al. betonen, dass allein unsere physische Umgebung einen Beitrag dazu leisten kann, unsere Stressresistenz sowie unsere Erholungsfähigkeit zu verbessern:

„Physische Umgebungen können eine Rolle dabei spielen, wie wir mit Stress fertig werden; insbesondere die experimentelle Forschung liefert starke Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen der Exposition gegenüber natürlichen Umgebungen und der Erholung von physiologischem Stress und mentaler Erschöpfung. Diese Erkenntnis unterstützt sowohl die Stress Recovery Theory [Stressbewältigungstheorie] als auch die Attention Restoration Theory [Theorie der Aufmerksamkeitswiederherstellung]. Tatsächlich schützt die Exposition gegenüber natürlichen Umgebungen Menschen vor dem Einfluss von Umweltstressoren und bietet mehr Erholung im Hinblick auf Physiologie, Emotionen und Aufmerksamkeit als städtische Umfelder.“ [Übersetzung Sabine Nunius]

Unterstützt wird die regenerative, stressabbauende Wirkung durch begleitende Effekte wie die Senkung des Blutdrucks und der Herzfrequenz sowie die Stabilisierung des Blutzuckers. Der VDK titelt deshalb in einem Beitrag sogar „Ein Waldspaziergang ist wie Medizin“. Im Experteninterview des dazugehörigen Artikels heißt es: „Der Anblick von Bäumen wirkt direkt auf unser Nervensystem ein und aktiviert den Parasympathikus, den Nerv der Ruhe, der sich als Netzwerk durch unsere Organe zieht. Er schaltet unseren Organismus in den Modus der Regeneration und der Heilung. Er senkt den Blutdruck und reguliert den Blutzuckerspiegel, fördert die Verdauung und setzt wichtige Abwehrzellen unseres Immunsystems in Gang. Auch Stresshormone gehen durch den Nerv der Ruhe zurück.“

Kein direkter Naturzugang? Alternativen durch den Blick ins (virtuelle) Grüne

Spätestens jetzt dürfte außer Frage stehen, dass Aufenthalte in der Natur grundsätzlich angenehm, gesundheitsfördernd und sinnvoll sind. Was aber tun, wenn sich schlichtweg keine Gelegenheit dazu bietet? Nicht alle von uns sind in der komfortablen Situation, sich ihren Arbeits- und Wohnort frei aussuchen oder so legen zu können, dass ein direkter Zugang zur Natur besteht. Abhängig von den jeweiligen Rahmenbedingungen lässt sich vielfach keine schnelle Abhilfe schaffen oder würde zu hohe Ressourcen in Anspruch nehmen. In derartigen Fällen sind Zwischenlösungen und Alternativen gefragt.

Erstaunlicherweise kann eine solche Zwischenlösung in der entsprechenden Gestaltung von Arbeitsräumen bestehen. Offensichtlich helfen sogar kleine Maßnahmen wie Grünpflanzen oder ein Blick ins Grüne. Ebenso scheinen Naturmaterialien eine beruhigende Wirkung auf uns zu haben.

In den letzten Jahren sind darüber hinaus zunehmend Versuche unternommen worden, durch virtuelle Umgebungen Natur zu simulieren und so Alternativen schaffen. Trotz einiger, anfänglich vielversprechender Studien wird die Wirkung solcher künstlich erzeugter Naturbilder aktuell kontrovers diskutiert und bezüglich ihres Effekts in Frage gestellt. Es scheint sich abzuzeichnen, dass eine gewisse Kompensation unter Umständen möglich ist, „the real thing“, also echte Natur, bislang aber sämtlichen Simulationen überlegen ist.

Allerdings könnten sich neue Chancen eröffnen, wenn (simulierte) Natur-Elemente mit anderen Ansätzen verbunden werden, wie beispielsweise Visualisierungstechniken. So zeigte eine Studie, die die Wirkung von unterschiedlichen Bildern auf das autonome Nervensystem nach einem Stressor untersuchte, eine schnellere Erholung, zumindest gemessen anhand des Parameters HRV (heart rate variability = Herzratenvariabilität):

„Die Haupterkenntnis der Studie bestand darin, dass die HRV als Marker der ANS-Funktion während der Erholung stieg, wenn vor Eintritt des Stressors Naturbilder im Vergleich zu Bildern von nichtnatürlichen Umgebungen betrachtet wurden. Es handelt sich dabei um die erste Studie, die nahelegt, dass die reine Betrachtung von Naturszenen vor Eintritt eines Stressors die Erholung des ANS nach dem Stressor verbessern könnte.“ [Übersetzung Sabine Nunius]

Geht es also darum, Umfelder so zu gestalten, dass sie optimale Bedingungen für Stressreduktion und Entspannung bieten, empfiehlt es sich auf Naturszenen und ähnliche Bilder zurückzugreifen oder mit der Farbe Grün zu arbeiten. Diese Erkenntnis lässt sich grundsätzlich für viele Bereiche einsetzen und auch für Sport und Training nutzen, etwa wenn es darum geht, Räume für Regeneration und Erholung einzurichten

Green exercise: Wie wir von einem Ortswechsel beim Training profitieren

Die unterstützende und verstärkende Wirkung der Natur geht zudem weit über Entspannung und Erholung hinaus. Sie ist ebenfalls in der Bewegung, also bei Sport und Training, zu beobachten. So liegen Studien vor, die belegen, dass Bewegung in der Natur nachweislich positive Effekte auf die Gesundheit hat, die die grundsätzlich gesundheitsfördernde Wirkung von Bewegung übersteigen. Mit anderen Worten: Die Natur bietet einen Mehrwert.

Pretty et al. fassen diese Erkenntnis wie folgt zusammen:

„Sowohl physische Aktivität als auch Kontakt zur Natur haben getrennt betrachtet bekanntermaßen positive Effekte auf die physische wie psychische Gesundheit. Wir haben untersucht, ob sich ein synergistischer Nutzen daraus ergibt, physische Aktivitäten mit direktem Kontakt zur Natur zu betreiben (‚green exercise‘). […] Es zeigte sich eine klare Wirkung, sowohl von Bewegung als auch von unterschiedlichen Szenarien, auf Blutdruck, Selbstwertgefühl und Stimmung. Allein betrachtet verringerte die Bewegung auf signifikante Weise den Blutdruck, stegierte das Selbstwertgefühl und hatte einen positiven signifikanten Effekt auf 4 von 6 Stimmungsmessungen. Sowohl angenehme ländliche wie städtische Szenen hatten einen signifikant höheren positiven Effekt auf das Selbstwertgefühl als bei der Kontrollgruppe, in der nur Bewegung eingesetzt wurde. Das zeigt die synergistische Wirkung von „green exercise“ in ländlichen wie städtischen Umgebungen.“ [Übersetzung Sabine Nunius].

Erstaunlicherweise setzte der beschriebene Effekt in dieser wie in weiteren Studien schon beim Betrachten von Bildern mit Naturszenen ein. Trotz der Kontroverse über die Wirksamkeit simulierter Natur scheint diese Variante somit durchaus eine mögliche Ergänzung darzustellen, wenn keine anderweitige Gelegenheit für „green exercise“ existiert.

Wie belastbar die Ergebnisse schlussendlich sind und wie ausgeprägt der Effekt tatsächlich ausfällt, lässt sich zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht sagen. Zwei Metaanalysen kommen zu dem Schluss, dass vielversprechende erste Ergebnisse vorliegen. Sie weisen allerdings gleichzeitig darauf hin, dass die These an sich, also eine Verstärkung und Verbesserung der Trainingswirkung in der Natur, grundsätzlich sehr attraktiv ist und damit potenziell hohe Bereitschaft zur Zustimmung besteht. Um die Hypothese endgültig zu bestätigten, bedarf es daher noch weiterer, strukturierter und methodisch durchdachter Studien.

Unabhängig von der Forschungslage darf man hier jedoch sicherlich ein Stück weit dem eigenen Gefühl und dem eigenen Verstand folgen. So steht außer Zweifel, dass es grundsätzlich eine gute Idee ist, laute, verschmutzte und unangenehme Umfelder zu meiden und Training wie Erholung in Räume zu verlegen, die sich durch Faktoren wie eine hohe Luftqualität, angenehme Geräuschkulisse und ungestörte Atmosphäre auszeichnen. Zudem bietet die Natur Abwechslung und kann allein dadurch dazu beitragen, die Motivation für Sport und Training zu steigern oder aufrecht zu erhalten.

Training im Freien – was ist zu beachten?

Soll diese Wirkung in das eigene Training integriert werden, gibt es dennoch einige Punkte, die zu beachten sind. Denn trotz der potenziell gesundheits- und leistungsfördernden Wirkung treten insbesondere bei sehr hohen und sehr tiefen Temperaturen bestimmte Störfaktoren und Risiken auf, die es zu vermeiden gilt.

Training im Freien bei Hitze

Hitze und hohe Temperaturen führen zu einer thermoregulatorischen Belastung sowie weiteren physiologischen Beanspruchungen. Diese sind insbesondere bei Ausdauerleistungen relevant. Grundsätzlich gelten auch hier die gängigen Empfehlungen zu Aufenthalten im Freien bzw. Sport bei Hitze. Diese dürften so gut wie jedem bekannt sein. Darunter fällt beispielsweise, auf Training in den Mittagsstunden zu verzichten, ausreichend zu trinken und für angemessenen Sonnenschutz zu sorgen. Diese Empfehlungen sind generell definitiv sinnvoll. Allerdings lassen sie sich nicht in allen Fällen umsetzen. Während es im Hobbysport in der Regel vergleichsweise leicht möglich ist, ein Training oder sogar einen Wettkampf ausfallen zu lassen, gestaltet sich die Lage im Leistungs- bzw. Profisport anders. Hier können sich die Sportler ihre Startzeiten und Wettkampforte nicht selbst aussuchen und sind deshalb gezwungen, sich mit den Gegebenheiten vor Ort zu arrangieren. Liegt ein solcher Fall vor und zeichnet sich ab, dass ein Wettkampf unter sehr heißen Bedingungen stattfindet, wird zu Hitzeakklimatisierung geraten. Diese sollte sich über einen Zeitraum von ein bis zwei Wochen erstrecken und regelmäßige Belastung unter warmen Bedingungen beinhalten. Zudem wird den Athleten empfohlen, in einem euhydrierten Zustand in den Wettkampf gehen und während des Wettkampfs für ausreichend Flüssigkeitszufuhr sorgen. Darüber hinaus lassen sich, je nach Sportart, zusätzliche Hilfsmittel nutzen wie etwa kühlende Westen, die während des Wettkampfs oder Trainings getragen werden.

Außerhalb des Spitzensports sollten Athleten ab einer gewissen Temperatur ihre Wettkampf- und Trainingspläne überdenken und ggf. anpassen. Die konkreten Maßnahmen sind erneut offensichtlich. So empfiehlt sich beispielsweise eine Reduzierung der Länge und/oder Intensität des Trainings an sehr heißen Tagen oder das temporäre Ausweichen auf eine andere Sportart oder Trainingsform. Entsprechend könnte beispielsweise die Grundlagenausdauer über Schwimmen aufrechterhalten werden und statt eines HIIT- oder Maximalkrafttrainings Stabilisierung und Mobilisierung auf dem Programm stehen. Angesichts der zu erwartenden zunehmenden Wärmebelastung durch den sich abzeichnenden Klimawandel ist davon auszugehen, dass künftig auch Veranstalter, Betreiber von Fitnessstudios und Trainingsanlagen und andere Anbieter in diesem Bereich verstärkt gezwungen sein werden, auf die Problematik zu reagieren und entsprechende Maßnahmen einzuleiten. Denkbare Reaktionen auf die neue Situation sind beispielsweise die Verlegung von Wettkämpfen in die früheren Morgen- und späteren Abendstunden, eine entsprechende Kühlung oder Klimatisierung der Trainingsräume und das Einrichten von Schattenzonen.

Bei der Frage noch konkreten Maßnahmen und Empfehlungen war bislang nur die Rede von „Hitze“ und „hohen Temperaturen“. Für die Praxis stellt sich natürlich die Frage nach konkreten Werten. Wann also ist eine Temperatur (zu) hoch? Und wie sollte darauf reagiert werden? Diese vermeintlich simple Frage lässt sich pauschal nicht beantworten, da die Widerstandsfähigkeit gegenüber hohen Temperaturen stark von verschiedenen Faktoren abhängt. Dazu gehören beispielsweise die persönlichen Voraussetzungen sowie Gewöhnung und die aktuelle physische Verfassung. Zudem macht es einen Unterschied, ob ein Tag schwülwarm ist oder ob eher trockene Hitze herrscht. Aufgrund der Vielzahl von Faktoren, die bei der Frage nach zu hohen Temperaturen mit einspielen, existiert bislang keine wissenschaftlich belastbare Empfehlung bezüglich einer definitiven Temperaturobergrenze. Zwar wurden immer wieder Versuche unternommen, die Belastung durch Hitze mit Hilfe eines einzigen Faktors oder Indexes abzubilden. Aktuelle Forschungsergebnisse zeigen jedoch, dass diese Herangehensweise wenig zielführend ist, da sie der Komplexität der Thematik nicht gerecht wird. Die daraufhin entwickelten, sehr kleinteiligen Modelle erweisen sich genau aufgrund dieser Komplexität allerdings leider als wenig praxistauglich, zumindest dann, wenn es um allgemeingültige Empfehlungen und konkrete Werte geht.

Als generelle Richtlinie scheinen deshalb vor allem der eigene Verstand und das persönliche Körpergefühl bzw. Befinden ein guter Ratgeber. Herrschen schwülwarme Temperaturen oder ähnliche Bedingungen, bei denen offensichtlich ist, dass sie dem Körper einiges abverlangen, liegt es nahe, das Training entsprechend anzupassen. Gleiches gilt bei hohen Ozonwerten. Diesbezüglich spricht die Pharmazeutische Zeitung folgende Empfehlung aus: „Ozon: Sensible Personen vermeiden Anstrengungen im Freien ab circa 150 µg/m3 Ozonbelastung, gesunde und nicht ozonsensible Personen ab 180 µg/m3. Vor allem von Ausdauerleistungen wird abgeraten. Ab einem Wert von 360 µg/m3 verbietet sich Sport im Freien.“ Die Autorin des Artikels weist darüber hinaus darauf hin, dass Temperaturen über 30 Grad das kardiovaskuläre System bereits in der Ruhe fordern – insbesondere bei Ausdauerleistungen und größeren Kraftanstrengungen sollte dies zusätzlich berücksichtigt werden.

Training im Freien bei Kälte

Belastungen durch die klimatischen Bedingungen ergeben sich aber nicht nur bei Hitze, sondern auch im umgekehrten Fall, also bei großer Kälte. Grundsätzlich gilt hier das gleiche wie bei sehr hohen Temperaturen: Entsprechend der persönlichen Voraussetzungen und der konkreten Rahmenbedingungen sind die entsprechenden Vorkehrungen zu treffen. Das versteht sich im Wintersport mehr oder weniger von selbst. Die Sportler sind sich dieser Notwendigkeit bewusst und in der Regel gut ausgerüstet. Doch auch alle Läufer, Radfahrer und Fans anderer Outdoor-Disziplinen sehen sich in den Wintermonaten mit widrigen Bedingungen konfrontiert und müssen ihr Training entsprechend anpassen. Grundsätzlich gilt, dass Kälte per se kein Ausschlusskriterium ist, um Sport zu treiben. Selbst bei tiefen Temperaturen ist Aktivität im Freien sinnvoll möglich. Allerdings ist es wichtig, Maßnahmen zu ergreifen, die beispielsweise Stürze auf glattem oder gefrorenem Untergrund verhindern und Schutz vor Unterkühlungen und Erfrierungen bieten.

Insbesondere bei höherer Belastung und im Wettkampf kommen weitere Faktoren hinzu, die berücksichtigt werden sollten. Gatterer et al. weisen darauf hin, dass die sportliche Leistungsfähigkeit unter anderem durch die Fähigkeit des kardiovaskulären Systems, den arbeitenden Muskel mit Sauerstoff zu versorgen, beeinflusst wird sowie wie durch die Frage, ob der Stoffwechsel in der Lage ist, ausreichend Energie aus den vorhandenen Speichern bereitzustellen. Weitere Faktoren, die die physische Leistung beeinflussen, sind eine angemessene Funktion des neuromuskulären Systems sowie die Aufrechterhaltung psychologischer Fähigkeiten wie der kognitiven Funktion, der Motivation und der Resistenz gegenüber Schmerzen.

Darüber hinaus existiert eine Vielzahl individueller wie sportspezifischer Aspekte. So kann sich Kälte beispielsweise auf die Griffkraft auswirken, was bei Sportarten wie Klettern relevant wird. Unter Umständen können zudem die Körperbeherrschung sowie die Balance beeinträchtigt sein, so dass die Ausführung der Übungsqualität leidet und/oder Unfälle wahrscheinlicher werden.

Die Autoren der Studie sprechen daher einige allgemeine Empfehlung für Training unter kalten Bedingungen aus. Dazu zählen:

  • angemessenes Aufwärmen vor Training und Wettkampf
  • den Bedingungen angepasste Kleidung (Achtung: auch zu warme Kleidung kann zu Problemen führen!)
  • Pausenzeiten aktiv nutzen, um nicht auszukühlen
  • mehrlagige Kleidung, um Schweiß abzuleiten, ggf. Umziehen zwischen Aufwärmen und Wettkampf
  • nach Möglichkeit kein Outdoor-Training oder -Wettkampf bei Temperaturen unter -15 Grad
  • besonderer Schutz der Extremitäten (Hände und Füße)
  • Auffüllen der Glykogen-Speicher vor dem Wettkampf bzw. der Belastung bei Ausdauersportarten

Das Positionspapier des American College of Sports Medicine spricht ähnliche Empfehlungen aus. Die Autoren betonen gleichermaßen, dass Sport und Training bei niedrigen Temperaturen grundsätzlich sicher, d.h. ohne drohende Gesundheitsschäden, möglich sind. Gleichzeitig weisen sie jedoch ausdrücklich darauf hin, dass es wichtig ist, dass Sportler wie Trainer die Anzeichen einschlägiger Risiken wie Unterkühlung und Erfrierungen kennen und entsprechend darauf reagieren können. Darüber hinaus wird die Bedeutung des „wind-chill-factors“ (Wind-Kälte-Faktor) hervorgehoben. So sollten bei Wind-Kälte-Temperaturen unter -27 Grad Celsius die Trainierenden engmaschig beobachtet und betreut werden.

Werden diese Aspekte berücksichtigt, ist das Outdoor-Training nicht nur möglich, sondern bietet sogar eine Reihe von Vorteilen. So stärkt der Aufenthalt im Freien das Immunsystem, stellt ein effektives Training für das kardiovaskuläre System dar und verbessert insbesondere bei Menschen, die anfällig für saisonale Depressionen sind, die Stimmung. Zudem eröffnen sich mitunter ganz neue Trainingsperspektiven, etwa dann, wenn die Laufschuhe zeitweise gegen die Langlaufski getauscht werden.

Fazit: „Green exercise“ – eine lohnenswerte Trainingsergänzung

Angefangen von der gesundheitsfördernden Wirkung „grüner“ Umgebungen bis hin zu neuen Perspektiven und einer gesteigerten Motivation: Ein Ausflug in die Natur rentiert sich zu jeder Jahreszeit! Abgestimmt auf das eigene Trainings- und Wettkampfprogramm stellt das „grüne“ Training eine optimale Ergänzung dar, um neben der Gesundheit die sportliche Leistung zu fördern. Allerdings sollte der Spaß dabei ebenfalls nicht zu kurz kommen. Wer sich bei Regen, Schnee oder Kälte einfach nicht ins Freie quälen mag, für den bieten sich glücklicherweise weiterhin zahlreiche Indoor-Alternativen, die selbstverständlich ebenfalls eine positive Wirkung haben. Die Devise ist daher: Hauptsache in Bewegung bleiben! Ich wünsche allen Athletinnen und Athleten viel Vergnügen dabei – egal ob „indoors“ oder im Freien!

Fragen oder Interesse an einem weiteren Austausch? Ich freue mich über alle Nachrichten!

Sabine Nunius | sabine.nunius@sanu-training.com