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Laktat – eine bedeutende Messgröße im Sport

Prof. Dr. Kuno Hottenrott

Die Begriffe Laktat, Laktattest, Laktat-Leistungsdiagnostik, Laktatstufentest gehören mittlerweile zum Standardvokabular vieler Sportlerrinnen und Sportler, wobei nicht immer die theoretischen Hintergründe und sinnvollen Ableitungen für das eigene Lauftraining klar sind. Dies kann ich gut nach über 30 Jahren Erfahrung in der Leistungsdiagnostik behaupten.

Ziel dieses Beitrages ist es, grundlegende Wissensbestandteile zu dieser Thematik in verständlicher Form darzulegen, Mißverständnisse aufzuklären und Athletinnen und Athleten zu informieren, wie sie von Laktattests profitieren können.

Was ist Laktat?

Laktate sind Salze der Milchsäure. Sie entstehen, wenn die Muskulatur bei hoher Leistung mehr Sauerstoff für die Verbrennung von Kohlenhydraten zur Energiegewinnung benötigt, als durch das Blut zugeführt werden kann. Der zugrundeliegende Stoffwechselprozess ist die Glykolyse. Bei der verstärkten Glykolyse entstehen Wasserstoffionen und Laktat, der pH-Wert im Blut sinkt. Bei hohen Laktatwerten (> 10 mmol/l) kommt es zu einer spürbaren Übersäuerung der Muskulatur, die mit Schmerzen und Muskelkrämpfen einhergehen kann. Im Stoffwechsel findet immer eine geringe Laktatbildung statt, die als Ruhelaktat messbar ist. Die Laktatkonzentration beträgt in Körperruhe bei Ausdauersportlern durchschnittlich 0,8 mmol/l, der Referenzbereich in Ruhe liegt in einer Spanne von 0,5 bis 2,2 mmol/l. Gut trainierte Ausdauersportler haben deutlich niedrigere Ruhelaktatwerte als Untrainierte. Nach einer kohlenhydratreichen Mahlzeit kann es zum Anstieg um 50 – 100 % des Nüchternlaktatwertes kommen. Oft ist auch zu beobachten, dass bei niedrigen Laufgeschwindigkeiten das Laktat unter den Vorstartwert (Ruhewert) abfällt. Die Ursache dieses Phänomens ist kein Messfehler, sondern ein Anzeichen für den angestiegenen aeroben Energiestoffwechsels, der zu einem höheren Abbau des Laktats führt, denn Laktat wird bereits während der Belastung abgebaut. Die Abbaurate beträgt etwa 0,5 mmol/l pro Minute. Laktat ist zugleich ein Energieträger und hat somit eine wichtige Funktion als Substrat für die oxidative Energiebereitstellung.

Wie können Athletinnen und Athleten von Laktatbestimmungen profitieren?

Die Messung des Laktatspiegels ist wichtig, wenn Sie einen Hinweis auf den aktuellen Ausdauertrainingszustand und die Leistungsentwicklung erhalten möchten. Darüber hinaus können auf der Grundlage der Laktatwerte optimale individuelle Trainingsintensitäten und Trainingszonen definiert werden. Die Überwachung der Leistungsentwicklung im Zeitverlauf kann durch wiederholte Tests nach 6 – 8 Wochen erfolgen. Auch kann durch Laktatbestimmungen während des Ausdauertrainings kontrolliert werden, ob im gewünschten Trainingsbereich gelaufen wird.

 

Was ist die aerobe und anaerobe Laktatschwelle?

Grundsätzlich ist zwischen fixen Laktatgrenzwerten (z. B. 2 und 4 mmol/l), die gern und fälschlich auch als aerobe und anaerobe Schwelle bezeichnet werden und den individuellen Laktatschwellen zu unterscheiden. Heutzutage berechnet man in der Regel die individuellen Schwellenwerte und leitet davon die Trainingsbereiche ab.

  • Die individuelle aerobe Schwelle (IAS) kennzeichnet den Geschwindigkeitsbereich, bei der die Blutlaktatkonzentration erstmals ansteigt. Subjektiv wird diese Intensität als „etwas anstrengend“ wahrgenommen. Die Höhe des Laktatwerts an der aeroben Schwelle ist individuell unterschiedlich und kann bei sehr gut trainierten Marathonläufern einen Wert unter 1,0 mmol/l und bei Freizeitläufern über 2,0 mmol/l annehmen.

 

  • Die individuelle anaerobe Schwelle (IANS) kennzeichnet den Geschwindigkeitsbereich, bei der das maximale Laktat-Steady-State (MaxLass) erreicht wird, d. h., Laktatbildung und Laktatabbau sind ausgeglichen, d. h. es kommt bei einem mindestens 20-minütigen Dauerlauf bei dieser Geschwindigkeit nicht zum weiteren Laktatanstieg. Subjektiv wird diese Intensität bereits als „sehr anstrengend“ wahrgenommen. Die Laktatkonzentration an der IANS liegt etwa 1,5 mmol/l über dem Laktatwert an der individuellen aeroben Schwelle. Wird die anaerobe Schwelle nicht individuell ermittelt, wird oft ein fixer Laktatwert von 3,0 oder 4,0 mmol/l angenommen. Über der anaeroben Schwelle beginnt die Laktatkonzentration exponentiell anzusteigen, d. h. die Laktatkonzentration im Blut steigt deutlich schneller an, als der Körper Laktat abbauen kann, was schließlich zur Übersäuerung des Muskels und starken Ermüdung führt.

Der Laktatstufentest

Mit dem Laktatstufentest kann die individuelle aerobe und anaerobe Schwelle präzise bestimmt werden. Er wird auf dem Laufband und oder Radergometer als Labortest oder auf der Rundbahn als Feldtest durchgeführt. Beide Varianten haben Vor- und Nachteile. Für den Vergleich der Leistungsentwicklung über mehrere Jahre ist ein standardisierter Labortest vorteilhaft. Wenn es aber darum geht, präzise Trainingsvorgaben aus dem Laktattest abzuleiten, dann ist eher der Feldtest geeignet. Aufgrund der gleichen äußeren Bedingungen wie beim Training (saisonales Klima, Bodenbeschaffenheit und Abrollverhalten beim Laufen, eigenes Trainingsrad, kein Ergometer) bedarf es keiner Anpassung der Messwerte.

Der Laktatstufentest beginnt mit einer langsamen Laufgeschwindigkeit bzw. geringer Intensität, die dann stufenweise erhöht wird. Die einzelnen Belastungsstufen sollten eine Dauer von mindestens drei Minuten haben. Eine längere Belastungsdauer oder Strecke pro Stufe erhöht die Aussagekraft des Tests. Die Intensität nach jeder absolvierten Stufe wird so lange gesteigert, bis die Testperson ihre Höchstleistung erreicht hat. Aus dem kapillaren Ohrblut wird nach jeder Belastungsstufe die Laktatkonzentration bestimmt. Während des gesamten Tests wird die Herzfrequenz möglichst mit einem Brustgurt EKG-genau aufgezeichnet. Anschließend werden zu jeder Geschwindigkeits- oder Leistungssstufe die erreichte Herzfrequenz und der ermittelte Laktatwert in ein Diagramm übertragen und die Ausgleichskurven eingezeichnet. Hierfür gibt es spezielle Programme, die zugleich die Schwellenwerte mathematisch ermitteln. Ich nutze hierfür die Laktatstufentest-Software „LC Lactate“ von Mesics.

Beurteilung des Trainingszustandes anhand von Laktatkurven

 

Anhand des Verlaufs der Laktatkurve kann die Ausdauerleistung sehr gut beurteilt werden. In Grafik 1 wird der Vergleich von typischen Laktatkurven für wenig, moderat und gut trainierte Athleten aufgezeigt. Während bei den wenig Trainierten die Laktatwerte kontinuierlich bereits bei niedrigen Intensitäten bzw. Laufgeschwindigkeiten ansteigen, bleiben die Laktatwerte bei den gut Trainierten auf den ersten Geschwindigkeitsstufen auf sehr niedrigen Niveau und steigen erst bei höher Geschwindigkeit exponentiell an.

Grafik 1: Je flacher die Laktatkurve und je später das Laktat ansteigt, desto besser die Ausdauerleistungsfähigkeit.

Festlegung von Trainingsbereichen anhand der Laktatwerte

In Grafik 2 werden die Ergebnisse eines Laktatstufentest im Laufen über 5 x 1200 m von einer Sportlerin mit einer Bestzeit von 34:30 min dargestellt. Die Herzfrequenz steigt von Stufe zu Stufe linear von 119 Schlägen pro Minute bei 3,2 m/s (11,5 km/h) bis auf 173 Schlägen pro Minute bei 4,86 m/s (17,5 km/h) an und das Laktat von 0,71 auf 4,24 mmol/l. Die individuelle aerobe Schwelle (IAS) wird bei 14 km/h und einer Herzfrequenz von 140 Schlägen pro Minute erreicht, die individuelle anaerobe Schwelle (IANS) bei 16,7 km/h und 164 Schläge pro Minute. Die berechneten Trainingsbereiche für den regenerativen Dauerlauf, den extensiven und intensiven Dauerlauf, den Tempodauerlauf (TDL) und für die intensiven Tempoläufe (TL) sind in der Tabelle 1 zu sehen.

 

Grafik 2: Laktat- und Herzfrequenzkurve mit abgeleiteten Trainingsbereichen eine Sportlerin mit einer Bestzeit über 10 km von 34:30 min.

Tabelle 1: Aus dem Laktatstufentest abgeleitete Trainingsbereiche für das Lauftraining

Auf eine standardisierte Testdurchführung achten

Ein Laktatstufentest sollte in regelmäßigen Abständen (z. B. alle zwei Monate) durchgeführt werden, um den Leistungsfortschritt zu verfolgen und die Trainingsbereiche dem veränderten Niveau anzupassen. Dabei ist darauf zu achten, dass jeder Test möglichst unter den gleichen Bedingungen durchgeführt führt. Konkret ist sicherzustellen, dass Sie

  • gut regeneriert und ausgeruht sind.
  • jeweils ein vergleichbares wenig intensives Training der letzten beiden Tage vor dem Test absolvieren.
  • sich die letzten 24 h vor dem Test genauso ernähren.
  • drei Stunden vor dem Test die letzte größere Mahlzeit zu sich nehmen.
  • möglichst in der letzten Stunde vor dem Test keine energiereichen Getränke trinken, sondern nur Wasser.
  • den Test auf dem gleichen Laufband oder der gleichen Bahn durchführen.
  • sich bewusst sind, dass die Umgebungstemperatur die Ergebnisse beeinflussen kann.
  • sich vergewissern, dass Sie gut belastbar sind, d.h. keine gesundheitlichen Einschränkungen (Erkältung, Muskelschmerzen) vorliegen.
  • keine Medikamente einnehmen, die die körperliche Leistungsfähigkeit beeinflussen können.

Umfassende Informationen zur Anwendung des Laktatstufentest und weiteren Kontrolltests finden Sie im Buch „Trainingswissenschaft – ein Lehrbuch in 14 Lektionen“ von Hottenrott, K. & Neumann, G (2020), erschienen im Meyer & Meyer Verlag. Wer sich tiefgründiger mit dem Thema „Laktat“ auseinandersetzen möchte, dem sei das Buch von „Heck, H., Bartmus, U., & Grabow, V. (2022). Laktat: Stoffwechselgrundlagen, Leistungsdiagnostik, Trainingssteuerung: Springer Berlin Heidelberg“ empfohlen.