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Fasten und Sport – ist dies sinnvoll?

Univ.-Prof. Dr. Kuno Hottenrott

Zu Beginn eines Jahres nehmen sich viele Menschen ambitionierte Vorsätze und Ziele vor. Typische Vorsätze sind Gewicht abnehmen, Stress reduzieren, sich sportlich mehr bewegen oder die eigene sportliche Leistungsfähigkeit zu steigern. Laut Studien schaffen nur weniger als 10% der Menschen, ihre Ziele zu verwirklichen. Die Gründe hierfür sind vielfältig. Meist sind die Ziele zu unspezifisch, nicht messbar, wenig attraktiv, unrealistisch und zu kurzfristig terminiert. Dies betrifft zu Jahresbeginn vor allem das Thema Fasten zur Gewichtsabnahme, die zugenommenen Pfunde über die Feiertage schnell wieder los zu werden. Die Facetten des Fastens sind allerdings vielfältiger und beschränken sich nicht allein auf die Regulierung des Körpergewichts. Warum Fasten gesund ist und warum es sinnvoll sein kann, Fasten mit Sport zu kombinieren und wie mit einem mehrwöchigen Lauf-Fasten-Programm die Laufleistung gesteigert werden kann, wird in diesem Beitrag dargelegt.

Warum ist Fasten und Sport sinnvoll und gesund?

Der Verzicht auf Nahrung für eine bestimmte Zeit wird Fasten genannt. In der Entwicklungsgeschichte des Menschen war es ganz normal, lange Nahrungspausen und längere Zeiten der Nahrungssuche zu überstehen. Aus den eigenen Energiespeichern mehrere Tage zu leben, ist daher eine elementare Fähigkeit und Anlage des Menschen, ohne die sich Leben nicht hätte entwickeln können. Nahrungsverzicht ist sozusagen ein altbewährtes und physiologisch über Jahrtausende altes erprobtes Überlebensprogramm des Menschen. Im Gegensatz dazu muss die heutige ständige Verfügbarkeit und der Überfluss an Nahrung für den Menschen entwicklungsgeschichtlich als eine völlig ungewohnte Situation gedeutet werden, die schließlich u.a. zu den bekannten Zivilisationskrankheiten wie Bluthochdruck, Diabetes, Adipositas, und Fettstoffwechselstörungen führen. So entwickelte bereits Mitte des neunzehnten Jahrhunderts der Arzt Otto Buchinger ein Heilfasten-Konzept zur Reinigung von Körper, Geist und Seele. In den letzten Jahren ist vor allem das intermittierende Fasten oder Intervallfasten populär geworden, d.h. einem zeitweiligen oder auch periodischen Verzicht auf Nahrung. Anders als beim Heilfasten nach Buchinger, wird die Nahrungskarenz beim Intervallfasten immer wieder durch Phasen der Nahrungsaufnahme unterbrochen. Hierzu existieren unterschiedliche Konzepte und wie das 16:8-Modelle (16 Stunden fasten), das 5:2-Modell (zwei Tage in der Woche fasten) oder als Alternate-Day-Fasting (ADF), bei dem an jedem zweiten Tag gefastet wird.

Abb. 1: Wirkungen von Fasten und Sport.

 

Was passiert beim Fasten?

Durch Nahrungsverzicht von mindesten 12 Stunden, sowie einem mehrstündigen Ausdauertraining werden die Glykogenspeicher in Leber und Muskulatur entleert und der Fettstoffwechsel aktiviert. Sind die Glykogenspeicher weitgehend leer, werden Fettsäuren aus dem Fettgewebe in das Blut freigesetzt, wodurch Körperfett optimal reduziert werden kann. Bei längerer Fastenzeit, kohlenhydratarmer Ernährung oder Reduktionsdiäten kommt es zu einem Anstieg der Ketonkörper, die in das Blut freigesetzt und zu verschiedenen Organen, einschließlich dem Gehirn transportiert werden. Das Gehirn ist in diesem Zustand sehr leistungsfähig. Auf eine tägliche Zuckeraufnahme kann also durchaus verzichtet werden. Fasten und Sport steigert die Insulinsensitivität von Muskel- und Leberzellen und trägt auch zur Reduktion von oxidativem Stress und Entzündungen im ganzen Körper bei. Des Weiteren setzt Fasten in Kombination mit Laufen Glücksgefühle frei, stärkt das Selbstwertgefühl und steigert nachweislich Wohlbefinden und Vitalität.

 

Wie funktioniert Sport und Intervallfasten?

Um die Wirksamkeit von Fasten und Sport in der Kombination zu überprüfen, habe ich mit meiner Arbeitsgruppe ein 12-wöchiges Lauf- und Intervallfastenprogramm (LIF-Programm) entwickelt, das mit Halbfastentagen in den ersten Wochen startet, dann zu Ganzfastentagen wechselt und die Anforderungen an das Training progressiv erhöht. Dieses Programm ist nicht für Leistungssportler, sondern für Laufeinsteiger mit einem BMI von normal bis leicht übergewichtig entwickelt. Die 80 Studienteilnehmer wollten beiden, etwas Körpergewicht abnehmen und ihre Laufleistung steigern. In der Abbildung 2 ist das Trainingskonzept dargelegt. Nicht nur die Anzahl der Trainingseinheiten erhöhte sich von drei auf vier Einheiten pro Woche, sondern auch der Laufumfang und die Laufgeschwindigkeit nahm während des 12-wöchigen Programms zu. Um höhere Anpassungseffekte auf den Fettstoffwechsel zu erzielen, wurde in den letzten Trainingswochen auch am Fastentag trainiert. An den Fastentagen war eine maximale Energieaufnahme von 400 kcal (Frauen) bzw. 600 kcal (Männer) vorgesehen.

 

Abb.2: Das LIF-Konzept nach Hottenrott mit alternativen Ausdauereinheiten am Wochenende.

 

Halbtagsfasten

Halbfastentage sind in den ersten drei Wochen des Programms vorgesehen und dienen zur Gewöhnung an den freiwilligen Nahrungsverzicht. Der Einstieg in zwei volle Fastentage ab der 4. Woche fällt somit deutlich leichter.

Die Tage, an denen ein halber Tag gefastet wird, unterscheiden sich in Fasten am Vormittag (FV) und Fasten am Nachmittag (FN). Fasten vormittags bedeutet, dass der nächtliche Fastenzeitraum auf mindestens 16 h ausgedehnt wird und die erste Mahlzeit frühestens um die Mittagszeit eingenommen wird. Am Abend kann dann eine weitere leichte Mahlzeit erfolgen. Das Lauftraining sollte vor dem Fastenbrechen, also am Vormittag erfolgen.

Beim Fasten am Nachmittag wird morgens gefrühstückt und mittags eine kleine zweite Mahlzeit zu sich genommen. Das aerobe Lauftraining sollte möglichst in den Abendstunden erfolgen. Steht ein Intervallprogramm an, dann wäre ein guter Zeitpunkt 2-3 Stunden nach der letzten Nahrungsaufnahme.

Schwarzer Kaffee, Tee und Wasser sind in der Fastenzeit erlaubt. Die Gesamtenergieaufnahme für die Halbfastentage ist auf 800 kcal für Frauen und 1200 kcal für Männer begrenzt. Es bietet sich an, in der Tageshälfte, in der nicht gefastet wird, zwei leichte Mahlzeiten zu essen, die insgesamt die erlaubte Energiemenge nicht überschreiten. Die Beschränkung der Energieaufnahme soll verhindern, dass die Fastenperiode durch vermehrte Nahrungszufuhr in der anderen Tageshälfte kompensiert wird.

Der Körper bekommt durch Halbfastentage die Möglichkeit seinen Stoffwechsel nach und nach umzustellen und in den „Fettverbrennungsmodus“ zu gelangen. Durch den verlängerten Zeitraum ohne Nahrungsaufnahme sowie die verringerte Gesamtenergieaufnahme, ist der Körper gezwungen, auf seine Speicher und Reserven zurückzugreifen. Das bedeutet, dass an diesen Tagen auch Fettreserven benötigt werden, da Fettsäuren zur Energiegewinnung herangezogen werden.  Da die meisten Menschen tagsüber meist reichlich Kohlenhydrate aufnehmen, muss der Körper erst wieder lernen, den Stoffwechselweg der Fettverbrennung (Lipolyse) zur Energiegewinnung zu nutzen.

 

Ganztagsfasten

Das LIF-Konzept sieht ab der 4. Woche zwei ganze Fastentage vor. An diesen Tagen ist die tägliche Energieaufnahme für Frauen auf 400 kcal und für Männer auf 600 kcal pro Tag festgesetzt. Ein aerobes Lauftraining am Fastentag ist erst ab der 9. Woche vorgesehen. Wer allerdings schon mehr Erfahrung mit dem Fasten hat und keine starken Stoffwechselumstellungen spürt, kann auch früher mit dem Lauftraining während des Ganztagsfasten beginnen. Ein hochintensives Laufprogramm ist beim Ganztagsfasten zu vermeiden.

Training an den (Halb-)Fastentagen ist generell gut möglich, sollte jedoch nicht zu intensiv sein. Ein lockerer Lauf oder eine längere Wanderung hingegen ist kein Problem und kann sogar helfen, den Hunger zu vertreiben. Auch leichtes Krafttraining eignet sich hervorragend. Sehr anstrengende Trainingseinheiten sind an diesen Tagen allerdings nicht zu empfehlen.

 

Was ist beim Sport an Fastentagen zu beachten:

  • Mehr Zeit für das Aufwärmen einplanen. Nicht sofort Vollgas geben.
  • kein hochintensives Kraft- oder Ausdauertraining
  • Keine Höchstleistungen, sondern moderates Training für Kraft und Ausdauer
  • Auf Signale des Körpers achten
  • Trockenfrüchte (Dattel, Feige) oder einen hochkalorischen Snack mitnehmen, falls es bei einer längeren Trainingseinheit zur Unterzuckerung kommt.

 

Kann durch Fasten die Leistung gesteigert werden?

An dem 12-wöchigen LIF-Programm haben 40 leicht übergewichtige Frauen und Männer, die mit dem Laufen erst wenige Monate zuvor begonnen haben, teilgenommen. Eine zweite von der Anzahl gleichgroße und von der Leistungsfähigkeit vergleichbare Anfänger-Laufgruppe trainierte das gleiche Trainingsprogramm, führte jedoch kein Intervallfasten durch. Die Ergebnisse nach 12 Wochen unterschieden sich signifikant zwischen den beiden Untersuchungsgruppen.

Im Vergleich zum Ausgangstest konnte die Läuferinnen und Läufer aus der Fastengruppe ihre Laufleistung nach der 12-wöchigen Trainingsphase um 14,6 % verbessern, deutlich mehr als die Lauf-Trainingsgruppe ohne Fasten (+10,8 %).

Abb. 3: Veränderung der Laufgeschwindigkeit

 

Unterschiede ergaben sich auch zwischen den beiden Gruppen bei der Körperzusammensetzung und der Gewichtabnahme. Die Lauf-Fasten-Gruppe erzielte eine Gewichtsabnahme von im Mittel 7,4 kg, die Läufergruppe ohne Fasten von durchschnittlich 4,5 kg. Insgesamt verbesserten die Teilnehmer ihren BMI im Mittel von 28,1 kg/m2 auf 26 kg/m2 und erreichten nach Ende der Studie wieder annähernd Normalgewicht und haben damit ihr Risiko an mit Übergewicht assoziierte Krankheiten wie z.B. Diabetes Typ II zu erkranken reduziert. Die verbesserte Leistungsfähigkeit zeigte sich auch beim morgendlichen Ruhepuls, der in der Gesamtgruppe von durchschnittlich 76 Schläge/min auf 64 Schläge/min abnahm. Die Leistungsfähigkeit der Lauf-Anfänger hatte sich nach dem 12-wöchigen Trainingsprogramm bereits so gut entwickelt, dass fast alle Studienteilnehmer in der 13. Woche des LIF-Konzepts erfolgreich am Staffelmarathon (10 km) oder Halbmarathon im Rahmen des Kassel Marathons teilnahmen. In einer Follow-up Untersuchung nach 6 Monaten konnten wir erfreulich feststellen, dass viele Teilnehmer ihr reduziertes Körpergewicht gehalten haben und weiterhin Fastentage in ihrem Wochenrhythmus integrierten. Somit kann Laufen und Intervallfasten eine gute langfristige Kombination sein, um Jojo- Effekte zu vermeiden.

Fazit: Die Studie hat gezeigt, das der menschliche Körper durchaus in der Lage ist, seine Leistungsfähigkeit zu verbessern und eine gute Ausdauerleistung zu erbringen, wenn er nicht rund um die Uhr mit Nahrung versorgt ist. Positive Studienergebnisse wurden auch für das Intervallfasten in Kombination mit einem Krafttraining publiziert Intervallfasten eignet sich als Ganzjahres- oder Lebenskonzept für Figur und Fitness. Zu beachten ist dabei, dass die stark kalorienreduzierte Ernährung an den Fastentagen eine hohe Nährstoffdichte mit viel Vitaminen und Mineralien aufweist.

Literatur:

Hottenrott, K. et al. (2016). Das LIF-Konzept. Laufen und Intervallfasten für Figur und Fitness. Wenn Wissenschaft in der Praxis überzeugt. (amazon.de/dp/3000551514)

Hottenrott, K., Werner, T., Hottenrott, L., Meyer, T. P., & Vormann, J. (2020). Exercise training, intermittent fasting and alkaline supplementation as an effective strategy for body weight loss: A 12-week placebo-controlled double-blind intervention with overweight subjects. Life, 10(5), 74.