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Concurrent-Training – Kraft und Ausdauer gleichzeitig oder zeitlich getrennt voneinander trainieren?

Prof. Dr. Kuno Hottenrott

Im Fitnessstudio oder beim Athletiktraining kommt immer wieder die Frage auf, kann in einer gemeinsamen Trainingseinheit Kraft und Ausdauer effektiv trainiert werden? Ist es vielleicht besser zuerst die Ausdauer und dann die Kraft zu trainieren oder sogar umgekehrt, erst Kraft dann Ausdauer? Aus wissenschaftlicher Sicht lassen sich diese Fragen gut beantworten. Grundlage dafür bieten die Erkenntnisse zur molekularen Anpassung an Kraft- und Ausdauerreize. Daraus lassen sich begründete Trainingsempfehlungen ableiten.

 

Anpassung an Kraft und Ausdauerreize

Der Anpassungsvorgang, der durch ein mehrwöchiges systematisches Krafttraining ausgelöst wird, führt in der Regel zur Muskelfaserhypertrophie, d.h. einer Zunahme des Muskelfaserquerschnittes. Voraussetzung hierfür ist eine positive Proteinbilanz. Es werden also mehr Proteine synthetisiert als abgebaut (anaboler Stoffwechsel). Die durch Krafttraining induzierte Hypertrophie erfolgt als Biosynthese neuer kontraktiler Filamente vor allem in den schnellen Typ-II-Muskelfasern. Demgegenüber zielt der durch ein mehrwöchiges Ausdauertraining ausgelöste Adaptationsvorgang vor allem auf die Mitochondrienbiogenese (Erhöhung der Kraftzellwerke) und die Angiogenese (Entstehung neuer Blutgefäße) hin.

Wie die Anpassungsvorgänge im Einzelnen erfolgen, konnte mittels der molekularbiologischen Forschung gezeigt werden. Es wird davon ausgegangen, dass sogenannte Signaltransduktionswege die Anpassung von Muskelzellen an sportliches Training in drei Schritten regulieren (vgl. Wackerhage & Gehlert, 2017).

  • Im ersten Schritt messen Sensormoleküle (SE) wie Calmodulin oder Adenosinmonophosphatkinase (AMPK) spezifische Signale wie Kalzium, AMP, Glykogen, Sauerstoffsättigung, mechanische Spannung u.a. Bei sportlichen Belastungen verändert sich in den beanspruchten Muskeln Intensität und Zeitdauer dieser Signale (z.B. die Kalziumkonzentration steigt bei einer Muskelkontraktion an) und bewirkt damit die Regulation der Anpassung.
  • Im zweiten Schritt schalten die aktivierten Sensorproteine weitere Signaltransduktionsmoleküle hinzu und leiten die Informationen weiter bzw. verstärken und analysieren diese.
  • Im dritten Schritt aktivieren die Signaltransduktionsmoleküle Anpassungsregulatoren wie mTORC1 für das Kraftanpassung oder PGC1-alpha für die Ausdaueranpassung. Solche Anpassungsregulatoren können Gene an- oder ausschalten, die Proteinsynthese und damit das Zellwachstum erhöhen, oder eine Zellteilung auslösen.

Wie aus Abbildung 1 hervorgeht, kommt es beim gleichzeitigen Trainieren von Kraft und Ausdauer (Concurrent Training) bei gut trainierten Sportlern zu einer Interferenz (Störung) mit der Folge, dass der Trainingseffekt geringer ist als bei einem zeitlich voneinander getrennt ausgeübten Kraft- und Ausdauertraining. Hintergrund dieses Interferenzeffektes ist es, dass es bei langen Ausdauerbelastungen aufgrund des hohen Energieverbrauchs zu einem hohen Anstieg der AMP-aktivierten Proteinkinase (AMPK) kommt und dies zu einer Hemmung des mTORC1-Kraftanpassungsweges was zu einer verminderten Muskelproteinsynthese führt. Ausdauertraining unmittelbar vor dem Krafttraining kann sich also negativ auf das Muskelwachstum auswirken.

Abbildung 1: Anpassungen an das Kraft- und Ausdauertraining beim zeitlich voneinander getrennten Training oder beim Concurrent-Training

Wird umgekehrt zuerst Kraft und dann Ausdauer trainiert, kann dies wiederum die erforderliche Nachwirkung des Krafttrainingsreizes herabsetzen, so dass der Effekt der Krafteinheit geringer ist. Darüber hinaus führt das vorausgehende Krafttraining zu einer veränderten Nutzung von Kohlenhydraten und Fetten. Abbildung 2 zeigt, dass der Fettstoffwechsel nach dem Krafttraining sehr gering ist und erst nach 30 Minuten einen Anteil von etwa 25% erreicht. Erfolgt kein Krafttraining vor dem Ausdauertraining dann ist die Fettstoffwechselaktivität von Beginn an viel höher (Abb. 3). Bei dieser Untersuchung wurde mit gleicher Geschwindigkeit auf dem Laufband vor und nach dem Krafttraining gelaufen.

Abbildung 2: Ein Krafttraining unmittelbar vor dem Ausdauertraining verhindert, dass die Fettverbrennung in Schwung kommt.

Abbildung 3: Wird das Training mit einer Ausdauereinheit gestartet, dann ist der Anteil der Fettverbrennung deutlich höher.

Empfehlungen für das Kraft- und Ausdauertraining

Spezifisch und gut trainierte Sportler sollten das Ausdauer- und Krafttraining zeitlich von einander trennen. Wird beispielweise morgens nüchtern die Ausdauer trainiert, dann hat dies nicht nur positive Wirkungen auf den Fettstoffwechsel, sondern auch auf die Muskelzellwerke (Mitochondrien). Wer nämlich mehr Mitochondrien an der Muskelzelle gebildet hat, kann eine höher Leistung unter Nutzung von Sauerstoff erzielen, d.h. die Geschwindigkeit oder Leistung an der aeroben Schwelle steigt an. Das Krafttraining kann dann abends erfolgen, nachdem die Energiespeicher wieder aufgefüllt sind.

Steht hingegen ein Krafttraining morgens auf dem Programm, dann sollte dies nicht im Nüchternzustand, sondern eher in Verbindung mit einem Energie- und Eiweißgetränk erfolgen. Das Ausdauertraining wäre dann eher abends durchzuführen. Eine zeitliche Trennung von Kraft- und Ausdauertraining ist allerdings nicht erforderlich für Untrainierte und auch nicht für diejenigen, die in der Woche 2- bis 3mal ins Fitnessstudio gehen. In einer Trainingseinheit bzw. einem Workout kann Kraft und Ausdauer gemeinsam trainiert werden. Bewährt hat sich ein Warm-up über 15 Minuten an verschiedenen Ausdauerfitnessgeräten, gefolgt von einem Kraftzirkel und im Anschluß ein Cool-down über 15 min oder auch länger auf dem Laufband, Radergometer, Stepper oder Ruderergometer.

Kontakt:
Prof. Dr. Kuno Hottenrott
Direktor Wissenschaft und Lehre
Deutsche Berufsakademie Sport und Gesundheit
Mail kuno.hottenrott@dba-baunatal.de