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Wie viele Kohlenhydrate für wen und für welche Sportart?

Sabine Nunius & Huong Nguyen

Carb-loading vs. Low-carb

Kohlenhydrate, umgangssprachlich oft als „carbs“ bezeichnet, spalten die Sportlerwelt wie fast kein zweiter Makronährstoff. Dabei ist die Einstellung gegenüber Kohlenhydraten stark von der ausgeübten Sportart abhängig. So tendieren Kraftsportler eher dazu, die Kohlenhydrataufnahme zu reduzieren und stattdessen den Proteingehalt ihrer Nahrung nach oben zu fahren. Ausdauersportler hingegen setzen insbesondere bei der Vorbereitung auf carb-loading und im Wettkampf auf schnellen Zucker gegen den gefürchteten Hungerast.

Die Grundüberlegung hinter diesem Vorgehen ist durchaus sinnvoll. Je nachdem, welche Art von Aktivität wir in welcher Intensität und welcher Dauer ausüben wollen, benötigen wir unterschiedliche Formen der Energiebereitstellung. Setzen wir auf die falschen Energiequellen oder schöpfen wir unsere Speicher zu stark aus, sind die Folgen deutlich spürbar. Wer schon einmal versucht hat, eine längere, intensive Radeinheit oder einen ausgedehnten Lauf mit leeren Kohlenhydratspeichern zu absolvieren, weiß, wie schnell der „Mann mit dem Hammer“ kommt und plötzlich nichts mehr geht. Vor allem für längere Ausdauerbelastungen brauchen wir unbedingt ein sinnvolles Maß an Kohlenhydraten und ausreichend Nachschub während der Belastung. Wollen wir dagegen in erster Linie Muskelwachstum befördern, sind Proteine von großer Bedeutung. Nicht selten werden im Bereich des Kraftsports deshalb Kohlenhydrate als angebliche Dickmacher sehr stark gemieden oder komplett vom Speiseplan gestrichen.

Wie sinnvoll sind diese Herangehensweisen ernährungswissenschaftlich betrachtet? Und welche Mengen an Kohlenhydraten braucht es für welche Belastung? Diesen Fragen möchten wir im Folgenden weiter nachgehen.

„Das süße Gift“ – der schlechte Ruf der Kohlenhydrate

Betrachtet man die momentanen Trends – wie sie etwa in Lifestyle Zeitschriften und einschlägigen Social Media Formaten wiedergegeben werden – entsteht leicht der Eindruck, dass low-carb der Königsweg zu einem schlanken, fitten Körper ist. Hatten zuvor Fette den Ruf, ein buchstäblicher „Fettmacher“ zu sein, stehen nun Kohlenhydrate als Übeltäter im Visier. Entsprechend haben die low-carb Diäten und Ernährungstipps den low-fat Trend abgelöst. Doch ist der schlechte Ruf von Zucker wirklich gerechtfertigt? Und wie genau ist der Zusammenhang zwischen Kohlenhydraten und „Zucker“, das heißt sind Kohlenhydrate pauschal mit „Zucker“ gleichzusetzen?

Hier lohnt sich ein kurzer Ausflug in die Welt der Biochemie. Denn ebenso wie „Fett“ nicht gleich „Fett“ ist, gibt es bei den Kohlenhydraten klare Unterschiede in der Zusammensetzung und damit der Verträglichkeit und Qualität.

Insgesamt umfassen die Kohlenhydrate folgende Zuckerformen:

  • Monosaccharide (Einfachzucker). Dazu gehören Glucose (Traubenzucker), die sich in Nahrungsmitteln in geringen Mengen wiederfindet, etwa in Honig und Trauben, und Fructose (Fruchtzucker). Letztere ist ebenfalls in Honig enthalten und stellt den Hauptzucker vieler Obstsorten dar.
  • Disaccharide (Zweifachzucker). Zu den Zweifachzuckern zählt beispielsweise die Saccharose (Rohr- oder Rübenzucker = normaler Zucker, bestehend aus je einem Molekül Glucose & Fructose). Sie ist das bedeutendste Süßungsmittel in der Ernährung des Menschen.
  • Polysaccharide (Mehrfachzucker, komplexe Kohlenhydrate). Die Polysaccharide unterteilen sich weiter in:

Verdauliche Polysaccharide: z.B. Stärke. Sie ist vor allem in Getreide, Kartoffeln und Hülsenfrüchten enthalten und stellt den Hauptteil der Kohlenhydrate in der Ernährung dar. Die Einzelbausteine der Stärke bestehen aus Glucose-Einheiten. Da im Darm die Glucoseketten der Stärke erst aufgespalten werden müssen, dauert die Verdauung der Stärke länger und der Blutzuckerspiegel steigt langsamer an.
Unverdauliche Polysaccharide: Ballaststoffe wie Pektin, ß-Glucan, Cellulose, Hemicellulose, Lignin und resistente Stärke. Sie können nicht von den menschlichen Verdauungsenzymen abgebaut werden, teilweise aber von den Bakterien des Dickdarms. Damit sind Ballaststoffe wichtiges Futter für unsere Darmflora! Da Ballaststoffe die pflanzlichen Zellwände bilden und Stützfunktionen übernehmen, finden sie sich in verschiedenen Anteilen in pflanzlichen Lebensmitteln.

Die wichtigste Aufgabe der Kohlenhydrate im menschlichen Organismus ist die zelluläre Energieversorgung. Kohlenhydrate werden dabei zu Glucose abgebaut. Der oxidative Abbau von Glucose führt zur Energiegewinnung in Form von ATP (Adenosintriphosphat), dem wichtigsten zellulären Energieüberträger. Er ermöglicht z.B. Muskelkontraktionen und Proteinsynthese. Kohlenhydrate sind damit neben Fett die primären Energieträger. Protein hingegen ist als Baustoff für die Muskulatur von Bedeutung, als Energieträger jedoch weniger relevant.

Im Körper gespeicherte Kohlenhydrate-Vorräte werden als Glykogen in Muskeln und Leber gespeichert. Sie übernehmen folgende essentielle Aufgaben:

  • Energiequelle durch Bildung von ATP
  • Energiespeicher in Form von Glykogen
  • Synthese von Glykoproteinen und Glykolipiden (z.B. Bestandteile der Zellmembranen, Enzyme, Hormone, Rezeptoren)
  • Synthese von Bindegewebssubstanz
  • Baustein zur Bildung der DNA und RNA
  • Ausgangsgerüst zur Bildung entbehrlicher Aminosäuren

 

Low-carb vs. carbloading: Wo liegt das richtige Maß?

Trotz dieser wichtigen Funktionen sind die Kohlenhydrate in den letzten Jahren stark in Verruf geraten. Was häufig übersehen wird, wenn eine sehr kohlenhydratarme Ernährung propagiert wird: Bei hoher sportlicher Belastung müssen wir kohlenhydratreiche Lebensmittel aufnehmen, um die Glykogenspeicherung im Muskel zu verbessern und während der Belastung die Muskeln mit Energie zu versorgen.[1] Doch auch im alltäglichen Leben ist ein gewisses Maß an Kohlenhydraten notwendig, um den Körper angemessen zu versorgen. Hier stellt sich die Frage, wie gering oder hoch dieses Maß ausfallen sollte, um „ausreichend“ zu sein.

Bezüglich der Menge bietet die Ernährungsempfehlung der DGE eine Orientierungshilfe. Ihre Empfehlungen für die Zufuhr von Kohlenhydraten ergeben sich aus den Empfehlungen für die Protein- und Fettaufnahme. Es sollten ca. 50 % der Nahrungsenergie in Form von Kohlenhydraten aufgenommen werden.[2]

Ergänzt wird diese Richtlinie durch die Empfehlungen der WHO. Sie empfiehlt eine Begrenzung der Aufnahme von Einfach- und Zweifachzuckern auf 10 % der Nahrungsenergie. Das bedeutet, dass bei der Kohlenhydrataufnahme verstärkt auf komplexe Zucker zurückgegriffen werden sollte.

Diese Beschränkung der Kohlenhydrataufnahme ist grundsätzlich höchst sinnvoll und gerechtfertigt. In der heuten Welt sind wir fast permanent von hochkalorischen, stark zuckerhaltigen Lebensmitteln umgeben, egal ob es sich dabei um Getränke, Süßigkeiten oder Weißmehlprodukte („empty calories“) handelt. Sie werden mit der Entstehung von Volkskrankheiten wie Adipositas, Diabetes, Herz-Kreislauferkrankungen und Autoimmunerkrankungen in Verbindung gebracht. Ein maßvoller Konsum ist deshalb dringend angeraten.

Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund hat sich low-carb als Gegenbewegung entwickelt. Der Grundgedanke hinter diesem Trend – die Reduzierung von Einfachzucker – ist nachvollziehbar, allerdings geraten einige wesentliche Aspekte schnell aus dem Blick:

  • Wie bei allen anderen Nährstoffen ist die Kohlenhydrat-Zufuhr bedarfsabhängig. Sportlich oder anderweitig körperlich aktive Menschen haben einen höheren Bedarf an Kohlenhydraten als weniger aktive.
  • Eine Konzentration auf einen einzelnen Nährstoff ist nur bedingt sinnvoll. Vielmehr muss die Zusammensetzung aller bei einer Mahlzeit aufgenommenen Bestandteile betrachtet werden inkl. des Fett- und Proteinanteils sowie zusätzlicher Ballaststoffe.
  • Ballaststoffe zählen ebenfalls zu den Kohlenhydraten. Sie sind nicht verdaulich, für eine gesunde Darmflora aber absolut essentiell.
  • Bei den Kohlenhydraten spielen Qualität und “Darreichungsform” eine große Rolle. Anstatt Kohlenhydraten pauschal als ungesunde Dickmacher zu verteufeln, sollten wir lieber auf eine sinnvolle Zusammensetzung und Kombination mit anderen Lebensmitteln achten.

Beispiel: Weißmehlbrötchen zum Frühstück in zwei Varianten

In Variante A wird ein Brötchen mit fettarmem Frischkäse, Gemüse und gehackten Nüssen belegt. Das Weißbrot wird somit mit Protein sowie mit Ballaststoffen, Vitaminen und Mineralien aus dem Gemüse und den Nüssen aufgewertet. Es verhält sich dadurch anders hinsichtlich Stoffwechsel und nachfolgender Insulinantwort als ein Brötchen in Variante B mit Butter und Marmelade. Bereits dieses Beispiel zeigt, dass einzelne Lebensmittel nicht per se gut oder schlecht sind, sondern es auf die Menge und Kombination ankommt.

Ein weiterer Faktor, der bei Sportlern unbedingt zu bedenken ist: der erhöhte Bedarf an Kohlenhydraten. Insbesondere Ausdauersportler benötigen zwingend Kohlenhydrate, um Leistung zu erbringen. Hier spielen Qualität und Zusammensetzung in Abhängigkeit vom Timing eine noch größere Rolle. Zudem rückt die Verträglichkeit verstärkt in den Blick, gerade wenn es um die Ernährung vor und im Wettkampf geht. Vor allem bei hochaktiven Athleten ist die Unterscheidung zwischen guten und schlechten Kohlenhydraten größtenteils hinfällig, da sie auf hohe Mengen an Kohlenhydraten angewiesen sind. Welche Form der Kohlenhydrate sie dabei bevorzugen, ist eine Sache der Magen-Darm-Verträglichkeit. Vermeintlich „schlechte“ Kohlenhydrate wie ein Brötchen mit Butter und Honig, die den Athleten besser durch den Wettkampf bringen, sind unbedingt zu bevorzugen, wenn andernfalls Magenprobleme im Wettkampf drohen. An dieser Stelle ist individuelles Ausprobieren und Anpassen notwendig.

Darüber hinaus spielt der glykämische Index eine Rolle bei der Auswahl der Kohlenhydrate abhängig vom Timing. Der glykämische Index ist ein Maß für den Blutglucoseanstieg nach Zufuhr kohlenhydrathaltiger Mahlzeiten im Vergleich zur Zufuhr eines Standards, z. B. Weißbrot oder Glucoselösung. Vollkornprodukte haben einen niedrigeren glykämischen Index als „schnelle“ Zucker wie Traubenzucker oder Weißmehlprodukte. Sie lassen den Blutzucker somit langsamer ansteigen. In der allgemeinen Ernährung wird dies eher als günstig betrachtet. Für den unmittelbaren Wettkampf und die Nachbelastungsphase ist es hingegen oft sinnvoll, auf schnelle Zucker zu setzen, um Leistung und Regeneration zu fördern bzw. zu beschleunigen. Je weiter wir uns in die Welt des Spitzen- bzw. Leistungssports bewegen, desto genauer muss also betrachtet werden, was zu welchem Zeitpunkt und mit welchem Ziel erreicht werden soll. Dementsprechend gestaltet sich die jeweilige Kohlenhydratgabe.

Trotz dieser Notwendigkeit der individuellen Anpassung, lassen sich gerade für Amateursportler gewisse Basisempfehlungen aussprechen. Als Maxime für die Basisernährung eines Sportlers gilt, genügend Energie zu sich zu nehmen und dabei das Spektrum an Ballast- und Mikronährstoffen maximal auszunutzen (i.d.R. Lebensmittel mit niedrigem Kohlenhydratanteil).

Das bedeutet:

  • Fokus auf Vollkornprodukte (viele Mikronährstoffe wie z. B. B-Vitamine) und pflanzliche Nahrungsmittel.
  • Wahl des Verarbeitungsgrads abhängig von der Verträglichkeit.

Beispiel: Steigerung der Verträglichkeit durch zunehmende Verarbeitung – Kernige Haferflocken vs. zarte Haferflocken vs. Porridge.
Die Verträglichkeit steigt jeweils mit dem Verarbeitungsgrad, hier also Vermahlungsgrad und der Frage gekocht/ungekocht. Gleiches gilt in Bezug auf grobkörniges Vollkornbrot im Vergleich zu fein vermahlenem Vollkornbrot. Auch hier erhöht der Verarbeitungsgrad die Verdaubarkeit und damit die Verträglichkeit.

Empfehlungen zum Verzehr von KH: Diese Lebensmittel sind grundsätzlich als Kohlenhydratquellen für die Basisernährung von Sportlern geeignet

  • Getreide (ganzes Getreide, Getreideflocken, Getreideschrot und Vollkornmehl aus Hafer, Gerste, Dinkel, Grünkern, Weizen, Roggen, Naturreis/ungeschälter Reis, Mais, Hirse, Quinoa und daraus hergestellte Speisen wie Brot, Müsli, Brei, Suppen und Eintöpfe, Bratlinge, Aufläufe, Pfannkuchen, Salate)
  • Kartoffeln, Süßkartoffeln. Hier kommt es auf die Zubereitung an! Gut geeignet sind Pell-, Salz-, Backofenkartoffeln, Kartoffelsalat (dieser ohne Mayonnaise versteht sich 😊)
  • Hülsenfrüchte (Erbsen, Linsen, Kichererbsen, Bohnen, hier jedoch unbedingt auf Verträglichkeit achten!)

Achtung: Während des Wettkampfs und in der Nachbelastungsphase empfiehlt es sich, insbesondere auf schnell verfügbare, niedermolekulare Kohlenhydrate mit einem hohen glykämischen Index zu setzen, um die Kohlenhydrat-Verfügbarkeit zu steigern und die Glykogenspeicher effektiv wieder aufzufüllen.

Während des Wettkampfs:
Energieriegel, kohlenhydratreiche Getränke, Bananen, Trockenfrüchte, Reis- und Fruchtschnitten, Traubenzucker und Energy Gels

Nach dem Wettkampf:
Kohlenhydratreiche Getränke, Saftschorlen und Säfte, fettarme Bananenmilch / Banane mit Joghurt, Milchreis, Nudeln (mit Tomatensoße)

Kohlenhydrate und Kraftsport – wichtige Ergänzung um Protein?

Die Antwort auf diese Frage fällt wenig überraschend aus. Ebenso wie bei sportlich wenig aktiven Menschen ein gewisses Maß an Kohlenhydraten notwendig ist, brauchen Kraftsportler eine bestimmte Dosis an Kohlenhydraten. Allerdings dürfte die Diskussion über Sinn und Unsinn von Kohlenhydraten im Kraftsport ganz besonders ausgeprägt sein, da hier Muskelaufbau und Körperzusammensetzung besonders stark im Fokus stehen. Naturgemäß ergibt sich dadurch oft eine Konzentration auf Proteine und wertvolle Fette, die für Muskelaufbau und Körperdefinition von erheblicher Bedeutung sind.

Welche Rolle spielen also die Kohlenhydrate und welche Richtlinien bieten eine Orientierung bezüglich der Aufnahmemengen? Grundsätzlich beziehen sich Ernährungsempfehlungen für Kraftsportler vor allem auf die Proteinaufnahme. Zudem sind generelle Aussagen bezüglich der Kohlenhydrate sehr schwierig, da der Kohlenhydratbedarf stark von Trainingsumfängen und -zielen abhängt. In der Literatur finden sich deshalb nur vergleichsweise pauschale Leitlinien.

So empfiehlt das IOC eine tägliche Kohlenhydrataufnahme von 4-7 g/kg BW/day, abhängig von der Intensität und Dauer des Trainings.[3] Bezüglich des richtigen Timings gibt es bislang nur wenige Studien. Betrachtet man die vorliegenden Empfehlungen, lassen sich insgesamt folgende Schlussfolgerungen ziehen, wenn es darum geht, das maximale Glykogenlevel in Muskeln und Leber zu erreichen:[4]

  • Wettkampf-/Trainingsvorbereitung: Hier wird eine kurze Phase des Trainings mit reduzierten Umfängen in Verbindung mit erhöhter täglicher Kohlenhydrataufnahme (≥ 8 g/kg/day) empfohlen.
  • Unmittelbar vor dem Wettkampf / Training: Das Glykogenlevel wird am besten aufrechterhalten oder gesteigert, indem der Sportler stark kohlenhydrathaltige Mahlzeiten oder Snacks (1–4 g/kg/day) zu sich nimmt.
  • Während des Wettkampfs: Zur Aufrechterhaltung des Glykogenspiegels und um Unterzuckerung vorzubeugen, wird die Aufnahme geringer Mengen von kohlenhydratreichen Lösungen oder kleinen Snacks (Riegel, Gels, etc. empfohlen).
  • Eine verstärkte Aufnahme von Kohlenhydraten nach dem Training oder Wettkampf ist dann notwendig, wenn die anschließende Regenerationsphase sehr kurz ist.

Angesichts der oben angesprochenen Notwendigkeit einer individuellen Anpassung, sind diese Hinweise notwendigerweise vergleichsweise pauschal und bieten lediglich erste Orientierungshilfen und Anhaltspunkte. Hinsichtlich weiterer Aspekte lassen sich bislang keine generellen Empfehlungen aussprechen. Zwar liegen erste Hinweise vor, dass das Timing der Kohlenhydrataufnahme Auswirkungen auf die Stoffwechselaktivität bei Sportarten mit kurzen Belastungsspitzen – wie wir sie etwa im Kraftsport finden – haben könnte. Belastbare Ergebnisse bezüglich der tatsächlichen Bedeutung für Leistung und Leistungssteuerung stehen bislang jedoch noch aus.

 

Going long – wie viele Kohlenhydrate für welche Ausdauerleistung?

Verlassen wir den Bereich des Kraftsports und begeben wir uns in die Welt des Ausdauersports, verändert sich die Bewertung der Kohlenhydrate deutlich. Was, überspitzt formuliert, die Proteine im Kraftsport sind, sind im Ausdauersport die Kohlenhydrate. Sie werden häufig als Schlüssel zu Spitzenleistungen und Power über lange Zeiträume gesehen.

Wie berechtigt ist diese Einschätzung? Ganz sicher gilt, dass Kohlenhydrate im Ausdauersport eine essentielle Rolle spielen – im Gegensatz zum Kraftaufbau. Das liegt schon allein an der Tatsache, dass die Kohlenhydratspeicher ab einer bestimmten Belastungsdauer geleert sind und somit nicht mehr zur Energiebereitstellung zur Verfügung stehen.

Ist der jeweilige Zeitraum überschritten, muss auf alternative Energiequellen zurückgegriffen werden, sofern ein Leistungseinbruch vermieden werden soll. Da im Ausdauerbereich zahlreiche Wettkampfformen über mehrere Stunden hinweg gehen, sind Vorbereitung und Versorgung während des Wettkampfs ausschlaggebend, um die Leistungsfähigkeit aufrecht zu erhalten.

Insbesondere Glykogen ist dabei von zentraler Bedeutung. Da die Kohlenhydratdepots in Muskel und Leber limitiert sind, ist auch die Menge der gespeicherten Energie limitiert. Sie stellt somit einen leistungsbegrenzenden Faktor dar. Mit abnehmendem Glykogenspiegel sinkt die Fähigkeit des Sportlers, bestimmte Intensitäten aufrecht zu erhalten. Gleichzeitig finden verstärkt Abbauprozesse statt.

Daraus lässt sich folgende Grundregel lässt formulieren: „Die Geschwindigkeit der Glycogenentleerung hängt von der Dauer und Intensität der Belastung sowie vom Trainings- und Füllungszustand der Glycogenspeicher bei Belastungsbeginn ab. Bei intensiven Ausdauerbelastungen im Bereich der anaeroben Schwelle reicht die gespeicherte Energiemenge bei voll aufgefüllten Glycogenspeichern für eine Belastungsdauer von ca. 75–90 Minuten; suboptimal gefüllte Glycogenspeicher sind mit entsprechend geringeren Belastungszeiten assoziiert“.[5]

Daraus abgeleitet empfiehlt die International Society of Sports Nutrition folgende Mengen bezüglich der Kohlenhydratzufuhr:

  • Grundsätzliche Aufnahme von 5–12 g/kg/day an Kohlenhydraten.
  • Weitere Unterteilung nach Belastungsintensität und -umfang, d.h. 8–10 g/kg/day) bei Training mit moderaten bis hohen Intensitäten (≥ 70% VO2max) bei über 12h pro Woche.

Sofern keine gravierende Muskelbeeinträchtigung oder -schädigung vorliegt, maximieren die angegebenen Mengen die Glykogenspeicherung. Inzwischen sieht man davon ab, Empfehlungen auf prozentualer Basis (60-70% Kohlenhydrate der Gesamtkalorienaufnahme) auszusprechen, da mit diesen nicht die gewünschten Mengen erzielt werden, wenn Sportler sehr hohe oder sehr geringe Mengen an Nahrung zu sich nehmen.[6] Wie auch bei den Kraftsportlern ist darüber hinaus die Unterteilung in einzelne Abschnitte notwendig. Es muss also eine Differenzierung erfolgen zwischen der Versorgung in der Wettkampfvorbereitung, der Vorbelastungsphase am Wettkampftag, im Wettkampf und nach dem Wettkampf. Die jeweils angegebenen Werte beziehen sich insbesondere auf männliche Ausdauersportler. Die Anzahl der Studien, die sich auf weibliche Sportler konzentrieren ist zu gering, um eine belastbare Aussage darüber zu treffen, ob hier angepasste Werte angesetzt werden müssten.

Übersicht: Energiebereitstellung und Kohlenhydratzufuhr

Aus: ‚Kohlenhydrate in der Sporternährung‘, Positionspapier der Arbeitsgruppe Sporternährung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e. V. (DGE)

 

Fazit: Das Wichtigste zu Kohlenhydraten in Kürze

Der vorliegende Artikel zeigt: Genau wie bei den Fetten und Proteinen müssen bei den Kohlenhydraten der individuelle Bedarf und das individuelle Belastungsprofil berücksichtigt werden. Zudem sollte immer das Gesamtbild mit allen Ernährungskomponenten betrachtet werden. Idealerweise erfolgt auf diesem Weg eine ausreichende Versorgung mit sämtlichen Makro- und Mikronährstoffen. Für die Planung und Gestaltung der individuellen Ernährung bedeutet das, dass ein Fokus auf einen einzigen Nährstoff – egal ob Protein, Kohlenhydrat oder Fette – wenig zielführend ist. Stattdessen ist es die Kombination und Gesamtzusammensetzung aller Nahrungsbestandteile, die den Körper gesund erhält und leistungsfähig macht.

Für die Untergruppe der Kohlenhydrate lassen sich wie dargestellt keine detaillierten und gleichzeitig allgemeingültigen Regeln aufstellen. Allerdings existieren einige grundsätzliche Fakten, die eine gute erste Orientierung und Einschätzung bieten, worauf es sich bei der Kohlenhydratzufuhr generell zu achten lohnt:

  • Qualität der Kohlenhydrate. Es besteht grundsätzlich eine Empfehlung für komplexe Kohlenhydrate mit hohem Ballaststoffanteil und geringem Verarbeitungsgrad – gleichzeitig sollte hier auf individuelle Verträglichkeit geachtet werden. Wären permanente Magenbeschwerden der „Preis“ für „gute“ Kohlenhydrate, muss auf andere, leichter bekömmliche Kohlenhydrate zurückgegriffen werden.
  • Vermeintlich „schlechte“ Kohlenhydrate lassen sich durch die Kombination mit anderen Lebensmitteln aufwerten – siehe dazu das Beispiel mit dem Weißmehlbrötchen.
  • Die Aufnahme der Kohlenhydrate und ihre jeweilige Art sind stark vom Zeitpunkt der Aufnahme sowie dem Zweck, der erzielt werden soll, abhängig. Das gilt insbesondere für den Wettkampfsport. Vor allem dann, wenn Training oder Wettkampf in den frühen Morgen- oder späten Abendstunden stattfinden, muss häufig eine Anpassung im Vergleich zum „normalen“ Alltag stattfinden. Das beinhaltet unter Umständen Mahlzeiten zu ungewöhnlichen Zeiten und mit für die jeweilige Tageszeit eher unüblichen Lebensmitteln (wie etwa Nudeln zum Frühstück).
  • Der Kohlenhydratbedarf eines Sportlers ist stark von der ausgeübten Sportart und den individuellen Belastungsintensitäten und Umfängen abhängig. Zudem spielen Verträglichkeiten eine bedeutendere Rolle. Hier sind Abweichungen von den „Grundregeln“ mitunter nicht nur sinnvoll, sondern sogar angezeigt!
  • Die Kohlenhydratverträglichkeit lässt sich „trainieren“. Sportler mit einem grundsätzlich hohen Kohlenhydratbedarf sollten diese Option in Betracht ziehen.

 

…und zu guter Letzt ein Aspekt, der vor allem den beiden Autorinnen besonders am Herzen liegt: Bei aller Verträglichkeit, Qualität und Funktionalität, sollte das aufgenommen Essen dem oder der Einzelnen grundsätzlich schmecken und Genuss bereiten! Mit einigem Experimentieren und geschickten Kombinationen lassen sich so für jeden Optionen finden, die den gewünschten Zweck erfüllen und gleichzeitig das ein oder andere kulinarische Highlight bieten!

Noch Fragen oder Interesse an einer Zusammenarbeit/Beratung? Die Autorinnen stehen gerne zur Verfügung und freuen sich über Rückmeldungen und gegenseitigen Austausch!

Kontakt:              Dr. Sabine Nunius | sabine.nunius@sanu-training.com

 

[1] Kanter M. High-Quality Carbohydrates and Physical Performance: Expert Panel Report. Nutr Today. 2018 Jan;53(1):35-39. doi: 10.1097/NT.0000000000000238. Epub 2017 Oct 21. PMID: 29449746; PMCID: PMC5794245.

[2] Raschka C, Ruf S. Sport und Ernährung. Stuttgart: Thieme, 2017.

[3] S Potgieter BScDietetics, MNutrition (2013) Sport nutrition: A review of the latest guidelines for exercise and sport nutrition from the American College of Sport Nutrition, the International Olympic Committee and the International Society for Sports Nutrition, South African Journal of Clinical Nutrition, 26:1, 6-16, DOI: 10.1080/16070658.2013.11734434

[4] Chad M. Kerksick, Shawn Arent, Brad J. Schoenfeld, Jeffrey R. Stout, Bill Campbell, Colin D. Wilborn, Lem Taylor, Doug Kalman, Abbie E. Smith-Ryan, Richard B. Kreider, Darryn Willoughby, Paul J. Arciero, Trisha A. VanDusseldorp, Michael J. Ormsbee, Robert Wildman, Mike Greenwood, Tim N. Ziegenfuss, Alan A. Aragon & Jose Antonio (2017) International society of sports nutrition position stand: nutrient timing, Journal of the International Society of Sports Nutrition, 14:1, DOI: 10.1186/s12970-017-0189-4

[5] https://www.ernaehrungs-umschau.de/fileadmin/Ernaehrungs-Umschau/pdfs/pdf_2019/11_19/EU11_2019_M660_M667.pdf, abgeruf. 03.01.2023.

[6] Chad M. Kerksick, Shawn Arent, Brad J. Schoenfeld, Jeffrey R. Stout, Bill Campbell, Colin D. Wilborn, Lem Taylor, Doug Kalman, Abbie E. Smith-Ryan, Richard B. Kreider, Darryn Willoughby, Paul J. Arciero, Trisha A. VanDusseldorp, Michael J. Ormsbee, Robert Wildman, Mike Greenwood, Tim N. Ziegenfuss, Alan A. Aragon & Jose Antonio (2017) International society of sports nutrition position stand: nutrient timing, Journal of the International Society of Sports Nutrition, 14:1, DOI: 10.1186/s12970-017-0189-4