Hitzeanpassung und Kühlungsstrategien im Sport
Autor: Univ.-Prof. Dr. Kuno Hottenrott
Ein Wettkampf am Wochenende steht auf dem Programm. Die letzten Tage war es beim Training eher kühl, wenig Sonne bei geringer Luftfeuchtigkeit. Doch bis zum Sonntag soll sich das Wetter sprunghaft ändern. Es soll heiß und schwül werden. Keine Chance sich auf die plötzliche Wetteränderung noch anzupassen. Die anvisierte Wettkampfzeit in zum Beispiel einem Straßenlauf ist damit höchst wahrscheinlich nicht mehr erreichbar. Oder gibt es dennoch Möglichkeiten mit geeigneten Kühlungsstrategien vor und während des Rennens ein gutes Ergebnis zu erreichen? Und genau darum soll es in diesem Beitrag gehen. Wie können wir uns auf heiße Wettkampftage vorbereiten und welche Möglichkeiten gibt es, den Körper effektiv zu kühlen? Am Anfang des Artikels wird zunächst erläutert, wie unser Organismus bei intensiver Muskelarbeit und hohen Außentemperaturen den Anstieg der Körperkerntemperatur gegenreguliert. .
Thermoregulation
Intensive Muskelarbeit geht mit einer hohen Wärmebildung einher. Wird diese Wärme unzureichend nach außen abgeleitet, sinkt die sportliche Leistungsfähigkeit. Kommen dann noch hohe Außentemperaturen hinzu, kann dies bei erschöpfender sportlicher Belastung zur Überhitzung und Überforderung des Körpers führen, was gesundheitlich nicht ganz ungefährlich ist. Hitzekollaps, Hitzeerschöpfung bis hin zum Hitzschlag (>40,5 °C) drohen. Gerade bei längeren Ausdauerbelastungen spielt dann das Herunterkühlen des Körpers eine entscheidende Rolle. Dazu hat der menschliche Organismus ein sehr komplexes Thermoregulationssystem, bestehend aus verschiedenen physiologischen Mechanismen, die zur Regulierung der Körpertemperatur beitragen.
Was genau passiert im Körper? Sinken die Außentemperaturen stark ab, verringert sich die Hautdurchblutung durch eine Vasokonstriktion der Blutgefäße. Infolgedessen erfolgt eine Zentralisierung des Blutflusses, weg von den Extremitäten, hin zum Körperinneren. Damit erhöht sich das Schlagvolumen und die Herzfrequenz sinkt. Bei steigenden Außentemperaturen hingegen wird die Hautdurchblutung durch Vasodilatation der Gefäße stark gesteigert, was dem Abtransport überschüssiger Wärme aus dem Körperinneren dient. Durch diese Erweiterung kann das warme Blut an die Oberfläche transportiert werden, wo es Wärme an die Umgebung abgeben kann. Die Folge ist ein geringeres Schlagvolumen und ein Anstieg der Herzfrequenz.
Möglichkeiten des Wärmeaustauschs
Der Austausch von Wärme zwischen Organismus und Außenwelt durch die Haut kann sowohl zugunsten einer Aufnahme von Wärme aus der Umgebung als auch zugunsten der Wärmeableitung vom Organismus in Richtung Umwelt als Reaktion auf eine gesteigerte Wärmebildung auf unterschiedlichen Wegen passieren und zwar durch:
Konvektion, d.h. der Wärmeaustausch erfolgt über die Haut an die Luft mittels sogenannter Konvektionsströme auf der Hautoberfläche. Durch diese Art des Wärmetransfers kann sowohl Wärme aufgenommen als auch an die Umwelt abgegeben werden.
Radiation, d.h. den Wärmetransfer über Strahlung. Auf diesem Weg kann Wärme aus der Umgebung aufgenommen werden, um den Körper zu erwärmen, aber auch durch körpereigene Strahlung an die Außenwelt abgegeben werden.
Konduktion, d.h. Wärme wird über direkt mit dem Körper in Verbindung stehende Objekte ausgetauscht. Dieser Wärmeaustausch kann sowohl von der Kleidung, geeigneten Textilien in Richtung Körper als auch andersherum zur Wärmeabgabe vom Körper in Richtung Materie erfolgen.
Evaporation, d.h. durch Verdunstung von Schweiß über die Hautoberfläche. Dabei wird durch die Haut Wärme in Form von Feuchtigkeit an die Umgebung abgegeben, welche folglich verdunstet und somit den Körper kühlt und vor Überhitzung schützt. Diese Form der aktiven Kühlung dient lediglich der Wärmeabgabe.
Respiration, d.h. der Wärmeaustausch erfolgt über die Atmung. Liegt ein Temperaturunterschied zwischen der ein- und ausgeatmeten Luft vor, kann durch die Atemwege ein Austausch von Wärme erfolgen. Ein Teil der abzuführenden Wärme aus dem Körperinneren kann durch die Schleimhäute in den Atemwegen an das umliegende Gewebe abgegeben werden, während der Rest über die direkte Ausatmung an die Luft abgegeben wird. Andersherum kann ebenfalls durch kalte bzw. warme Luft eine Kühlung bzw. Erwärmung des Körpers erreicht werden.
Anstieg der Körperkerntemperatur bei einem Marathon
Abbildung 1: Verlauf der Körperkerntemperatur von einer gut trainieren Ausdauersportlerin während eines Marathons bei 14 °C am Start und 20 °C im Ziel
Die Körperkerntemperatur steigt bei intensiven Ausdauerbelastung trotz moderaten Außentemperaturen stark an. Werte deutlich über
40 °C wurden unter extremen Wettkampfbedingungen gemessen. Heutzutage kann die Körperkerntemperatur kontinuierlich während der sportlichen Belastung erfasst werden. Zu einer äußerst präzisen Methode zählt die Einnahme einer elektronischen Pille (e-Celcisus), mit der kontinuierlich die Temperatur im Verdauungstrack gemessen und an eine App in Echtzeit weitergeleitet wird. Beim Sevilla Marathon 2019 hat Laura Hottenrott im Rahmen einer wissenschaftlichen Untersuchung so eine Pille eine Stunde vor dem Marathonstart geschluckt. In Abbildung 1 wird der Verlauf der Körperkerntemperatur dargelegt. Obwohl die Außentemperaturen am Start mit 14 °C und 20 °C im Ziel moderat waren, stiegt die innere Temperatur nach etwa 30 min von 37 °C auf über 39 °C an. Ursache hierfür ist die starke Wärmeproduktion der intensiv arbeitenden Muskulatur. Bei heißen äußeren Bedingungen kann es folglich schnell zur Überhitzung des Körpers kommen. Mit der e-Pille kann zuvor ein Warnhinweis gesendet werden. Eine gute Alternative zur Überwachung der Körperkerntemperatur ist mit dem Wärmeenergieübertragungssensor CORE möglich. Der CORE Temperatur Sensor misst die Körpertemperatur kontinuierlich bei Belastung. Der Sensor kann mit der GPS-Uhr, dem Smartphone oder dem Fahrradcomputer verbunden und die Daten in Echtzeit angezeigt werden. Nach dem Training können die Daten mit der CORE App analysiert werden.
Hitzeanpassung und Hitzetraining
Der Körper ist an Hitze angepasst, wenn die Körperkerntemperatur um etwa 0,5 °C im Wärmezentrum des Gehirns sinkt. Die erniedrigte Körperkerntemperatur führt dazu, dass das Wärmezentrum im Hypothalamus empfindlicher auf die Erhöhung der Außentemperatur reagieren kann. Die durch die zentrale Sollwertverstellung eingetretene größere Temperaturdifferenz zwischen Körperkern und Außentemperatur bildet die Voraussetzung für die frühzeitige und größere Schweißbildung unter Hitze. Die Schweißbildung ist der entscheidende Faktor für die Abkühlung der Körperoberfläche, wobei eine erhöhte Hautdurchblutung die Wärmeableitung an die Umgebung fördert.
Wenn sich der Körper bei intensivem Sport aufheizt, wendet er mehr Energie auf, um das Blut zur Kühlung in die Haut zu pumpen. Das bedeutet, dass weniger Blut zu den Muskeln geleitet wird, um dort Leistung zu erzeugen. Bei kühlen Bedingungen ist so eine effektivere Leistungserbringung gegeben. Aus Studien geht hervor, dass beim Marathon Außentemperaturen von 8-12 °C optimal sind. Jedes Grad höhere Temperatur wirkt sich negativ auf die Zielzeit aus.
Durch ein wiederholtes Hitzetraining bei Temperaturen über 27 °C kann der negative Effekt auf die Leistung deutlich reduziert werden. Dazu wäre es erforderlich mit dem Hitzetraining bereits mehrere Wochen vor dem Wettkampf zu beginnen, es sei denn, dass die Möglichkeit besteht, sich am Wettkampfort bei den gegebenen Bedingungen mindestens acht Tage vorher aufzuhalten und zu trainieren. Wer sich langfristig auf einen Hitzewettkampf vorbereiten will, benötigt etwa 10 Hitzetrainingseinheiten für eine effektive Hitzeanpassung. Pro Woche sollten nicht mehr als 2-3 Einheiten unter Hitze durchgeführt werden, weil das Hitzetraining für den Körper sehr belastend ist. Schon nach 4-5 Trainingseinheiten unter Hitze ist die Körperkerntemperatur etwas gesenkt. Wer bereits gut an Hitze adaptiert ist, benötigt dann zur Aufrechterhaltung der Wirkungen für folgende Hitzewettkämpfe nur noch 1-2 Hitzeeinheiten pro Woche. Jedes Hitzetraining sollte nach der Dauermethode mit einer moderaten Intensität (GA 1 bis GA1-2 Training) und einer Dauer von mindestens 45 min und maximal 90 min erfolgen. Bei noch längeren Belastungszeiten unter Hitzeeinwirkung sollten zusätzlich Kühlungsmaßnahmen in das Training einfließen. Der passive Aufenthalt in der Hitze (auch Sauna) führt nur geringfügig zur Hitzeanpassung.
Kühlungsstrategien
Interne und externe Kühlungsstrategien haben vor (Precooling), während (Percooling) und nach der sportlichen Belastung (Postcooling) unterschiedliche Aufgaben und Wirkungen.
Beim internen Cooling, beispielweise mittels gekühlter Getränke, werden durch die orale Aufnahme die zentralen Thermorezeptoren im Körperinneren stimuliert, was zur unmittelbaren Absenkung der Körperkerntemperatur führt. Die ist eine wirksame Variante, um die Körperkerntemperatur bereits vor Belastungsbeginn oder während Belastungen niedrig zu halten.
Dem gegenüber stehen die Möglichkeiten des externen Coolings, was die peripheren Thermorezeptoren stimuliert. Ziel ist es, den Temperaturgradienten zwischen Haut und Körperkern zu erhöhen, um somit den inneren Wärmefluss entlang des Temperaturgradienten nach außen zu unterstützen. Erreicht die Peripherie also Temperaturen, welche geringer als der Körperkern sind, wird der Wärmeabtransport Richtung Haut und letztendlich nach außen zur Umgebung unterstützt. Bei gleichzeitiger Schweißbildung oder Kühlung der Körperoberfläche wird dann das etwas kühlere Blut aus der Peripherie in Richtung Körpermitte transportiert, wodurch es ebenfalls indirekt zu einer Reduktion der Körperkerntemperatur kommen kann.
Weitere Möglichkeiten des externen Coolings bestehen in der Anwendung von Kaltluftanwendungen durch Windsimulationen, Sprays oder Gels aus Menthol, Kopf- und Nackenkühlung, Kühlpacks und Kältewesten. Letztere werden dabei üblicherweise verwendet, um die Rumpfpartie des Körpers mittels konduktivem und evaporativem Wärmeentzug zu kühlen und zu unterstützen. Dazu muss die Kälteweste passgenau sein und dicht am Körper anliegen.
Precooling bezeichnet dabei das gezielte Absenken der Körpertemperatur vor sportlichen Belastungen. Einer zu großen Stauung von Hitze im Körper kann durch vorheriges Kühlen vor-gebeugt werden. Durch Precooling kann der Zeitraum bis zum Erreichen einer kritischen Körpertemperatur und einer hitzebedingten verfrühten Leistungsminderung entgegengewirkt werden.
Percooling:
Mit Percooling wird die gezielte Kühlung während der sportlichen Belastung beschrieben. Aufgrund der Tatsache, dass die Vorteile des Precoolings in etwa nach 20-25 min deutlich abgeschwächt sind, bedarf es bei länger andauernden Belastungen weiteren Kühlungsmaßnahmen, um die Toleranz gegenüber des leistungsmindernden Hitzeeinflusses zu erhöhen.
Postcooling:
Als dritte Möglichkeit ist das Postcooling als effektive Nachbereitungsstrategie eines starkerhitzen Körpers zu nennen. Ziel der Maßnahmen ist es, die Körperkerntemperatur möglichst schnell wieder auf ein normales Level herunterzukühlen, die Regenerationsprozesse zu unterstützen und die Leistungsfähigkeit so schnell wie möglich wiederherzustellen. Hat der Sportler bzw. die Sportlerin während der Belastung eine kritische Körperkerntemperatur von über 40° C erreicht, bedarf es unmittelbar schnell wirkender Kühlungsmaßnahmen über eine Dauer von etwa einer halben Stunde, um den Organismus wieder auf Normaltemperatur herunterzukühlen und um Folgeschäden zu verhindern.
Pre- und Postcooling
- Tragen von Kühlwesten
- Kaltes nasses Handtuch im Nacken
- Kalte Dusche über mehrere Minuten
- Kalte Badewanne oder Eistonne
- Baden im See, im Freibad über > 20 min
Percooling
- Kalte Getränke
- Spezielle Eisgetränke, Eisbrei
- Kalte Schweißbänder am Handgelenk
- Kühlende Stirnbänder
- Kühlflüssigkeit zum Kühlen der Textilien
- Kaltluftanwendung (Windsimulatoren)
- Mütze oder Sonnenkappe, Sonnenbrille
Empfehlungen für Hitzerennen
Neben den Maßnahmen zur Kühlung ist die Intensitätssteuerung bei Hitzerennen sehr entscheidend, um erfolgreich ins Ziel zu kommen. Mit welcher Pace laufe ich bei warmen (> 18 °C) und heißen (>27 °C) Temperaturen und wie verhalten sich Pace, Herzfrequenz und Laktat dabei? Fakt ist, je wärmer die Außentemperaturen desto höher steigt die Herzfrequenz bei gleicher Pace an und desto mehr Laktat wird gebildet. Damit verändern sich Geschwindigkeit und Herzfrequenz an der Lakatschwelle. Bei Orientierung an der Herzfrequenz nimmt die Schwellengeschwindigkeit im Rennverlauf ab. Dies trifft auch für das Training zu. Folglich sollte unabhängig von der Streckenlänge mit dem Rennen langsamer gestartet werden. Inwieweit es dann gelingt die zweite Hälfte nochmals zu beschleunigen, d.h. mit einem Negativ-Split zu laufen, hängt auch vom Temperaturanstieg während des Rennens ab. Je länger die Strecke ist, desto defensiver sollte gestartet werden, d.h. beim Marathon wäre das Anfangstempo wesentlich stärker zu reduzieren als beim Halbmarathon. Um wie viel Prozent nun das Tempo am Anfang gedrosselt werden sollte, hängt von vielen Faktoren ab wie der Leistungsfähigkeit des Sportlers, seinem aktuellen Trainingszustand, der Höhe der Luftfeuchtigkeit, der Sonneneinstrahlung, der vorherigen Anpassung an warmes Klima und den Kühlungsmaßnahmen vor und während des Rennens. Allgemein gilt: je schlechter der Leistungszustand, je höher die Luftfeuchtigkeit und je direkter die Sonneneinstrahlung desto stärker muss das Anfangstempo reduziert werden. Also keine einfache Aufgabe unter diesen vielen Einflussgrößen das richtige Tempo festzulegen. Eine gute Hilfe dabei ist die Orientierung an der Herzfrequenz. Bei Hitzerennen steigt diese sehr schnell an und erhöht sich bei konstantem Tempo kontinuierlich (heart rate drift). Wird im Vorfeld eine obere Schwellenherzfrequenz für das Rennen festgelegt, dann besteht nicht die Gefahr zu überpacen. Das Tempo wird damit frühzeitig reduziert. Und wenn es gut läuft, kann das Tempo auf den letzten Kilometern dann wieder forciert werden.
Abschließend noch ein Hinweis zum Training: Wenn die Herzfrequenz während der Trainingseinheit unter Hitze überproportional ansteigt oder nach nach dem Training nur langsam absinkt bzw. lange ungewöhnlich hoch ist, dann sind dies klare Anzeichen von starker Dehydration. Mehrere gekühlte isotonische Getränke sollten dann getrunken werden. Um die Reaktionen des Körpers bei warmen klimatischen Bedingungen richtig kennenzulernen, ist der Blick auf die eigene Herzfrequenz während und nach der sportlichen Belastung folglich sehr hilfreich.