Energieumsatz beim Gehen, Laufen und Treppensteigen
Von Prof. Dr. Kuno Hottenrott
Mehr Bewegung in den Alltag einzubauen, ist gesund und fördert die Fitness. Doch wie viele Kalorien werden bei den Alltagsbewegungen verbraucht? Welchen Einfluss hat das Lauf- und Gehtempo auf den Energieverbrauch? Ist der Energiebedarf vielleicht sogar beim schnellen Gehen höher als beim langsamen Joggen? Treppensteigen ist anstrengend, aber wieviel Energie wird dabei wirklich benötigt? Mit diesen Fragen setzt sich der folgende Artikel auseinander.
Vergleich der beiden Olympischen Wettbewerbe: Marathon und 50-km-Gehen
Schauen wir zunächst auf die maximale Fortbewegungsgeschwindigkeit im Marathonlauf und im 50-km-Gehen an. Eliteläufer legen einen Marathon in knapp zwei Stunden zurück, was einer Geschwindigkeit von über 20 km/h beträgt. Racewalker bzw. Elitegeher können 50 km in Zeiten von 3:40 h bewältigen, was einer durchschnittlichen Geschwindigkeit von über 13 km/h entspricht. Obwohl Racewalker im Vergleich zu Marathonläufer sich langsamer fortbewegen, sind sie im Ziel total erschöpft, oft erschöpfter als Marathonläufer. Verbrauchen Racewalker mehr Energie als Marathonläufer? Ist Laufen deutlich ökonomischer als das schnelle Gehen? Was charakterisiert eigentlich den Unterschied zwischen Elitegehern und Marathonläufern?
Betrachten wir zunächst die beiden Bewegungstechniken. Schnelles Laufen ist gekennzeichnet durch kurze Bodenkontaktzeiten und einer Flugphase zwischen den Laufschritten. Schnelles Gehen erfordert eine speziell erlernte Technik, eine Flugphase ist nicht erlaubt, ein Fuß muss stets Bodenkontakt haben und das vordere Bein muss vom Aufsetzen auf den Boden bis zum Erreichen der senkrechten Stellung gestreckt sein. Diese anspruchsvolle Technik erfordert viel Energie. Vergleicht man Laufen und Gehen bei gleicher Geschwindigkeit, stellt man fest, dass das Gehen bei langsamem Tempo ökonomischer als Laufen ist, aber ab einer bestimmten Geschwindigkeit das Laufen ökonomischer wird als das Gehen. Nun stellt sich die Frage, ab welcher Geschwindigkeit tritt dieser Übergang ein. Dies ist individuell unterschiedlich und hängt von vielen Faktoren ab, unter anderem von der Körpergröße und der vorhandenen Technik. Vor allem die schnelle Gehtechnik muss erlernt und gut ausgeprägt sein, um bei höherem Tempo sich noch ökonomisch fortzubewegen.
Energieverbrauch beim Gehen, Racewalken und Laufen
Eigene Untersuchungen mit 24 untrainierten Frauen und Männer im Alter von 35-60 Jahren, die dreimal eine Strecke über 1200 m mit unterschiedlicher Geschwindigkeit (6, 7,5 und 9 km/h) entweder laufend oder gehend bewältigen mussten, haben ergeben, dass bei einem Tempo von 6,0 km/h die mittlere Herzfrequenz beim Gehen 114 Schläge/min und beim Laufen 128 Schläge/min betrug, also eine Differenz von 14 Schlägen/min. Beim erhöhten Tempo von 7,5 km/h stieg die Herzfrequenz beim schnellen Gehen auf 132 Schläge/min und beim Laufen auf 142 Schläge/min. Dabei hat sich die Differenz auf 10 Schläge/min reduziert und bei der dritten Geschwindigkeitsstufe mit 9,0 km/h war die Herzfrequenz mit 163 Schläge/min beim Racewalken sogar sechs Schläge höher als beim Laufen (s. Grafik). Die Ergebnisse verdeutlichen, dass Race- oder Powerwalken ab ca. 8,5 km/h nicht nur das Herzkreislaufsystem stärker beansprucht, sondern auch der Energieverbrauch höher ist als beim Laufen mit der gleichen Geschwindigkeit. Auch bewertete die Untersuchungsgruppe das subjektive Beanspruchungsempfinden auf der BORG-Skala von 1 bis 10 für das Powerwalken mit dem Wert 9 um einen Punkt höher als für das Laufen.
Grafik: Herzfrequenz beim Gehen und Laufen mit unterschiedlicher Geschwindigkeit
Fazit Der natürliche Übergangspunkt, an dem der Mensch vom Gehen zum Laufen wechselt, liegt bei etwa 7 km/h. Ab dieser Geschwindigkeit scheint das Laufen angenehmer und ökonomischer zu sein, als das Gehen. Erfahrbar wird dies beispielweise, wenn wir noch schnell den Bus erwischen wollen. Dann fangen wir wahrscheinlich bei dieser Geschwindigkeit an zu laufen, ohne darüber nachzudenken.
Einfache Formel für den Kalorienverbrauch beim Laufen
Der Kalorienverbrauch beim Laufen oder Gehen hängt von vielen Faktoren ab, wobei die Belastungsintensität den größten Einfluss hat. Aber auch das Körpergewicht, die Bewegungsökonomie, die Bekleidung, die klimatischen Bedingungen, der Luftwiderstand, die Bodenbeschaffenheit und das natürliche Geländeprofil haben einen Einfluss auf den Kalorienverbrauch beim Laufen und Gehen. Trotz dieser vielen Einflussfaktoren kann für das Laufen (nicht für das Gehen) mit der Faustformel
„Kalorienverbrauch beim Laufen = 1 kcal pro kg Körpergewicht und Kilometer“
der Energieumsatz gut abgeschätzt werden. Das heißt, egal wie schnell man läuft, werden etwa 1 kcal pro zurückgelegten Kilometer und pro Kilogramm Körpergewicht verbraucht.
Während beim Laufen der Energieverbrauch mit der Zunahme der Geschwindigkeit etwa linear ansteigt, ist dies beim Gehen anders. Hier steigt der Kalorienbedarf vom langsamen Gehen zum Racewalken überproportional an. Hintergrund sind die erhöhten Anforderungen an die Technik beim sehr schnellen Gehen. Während beim langsamen Laufen mit 6-7 km/h noch etwa doppelt so viel Kalorien verbraucht werden wie beim Gehen mit gleicher Geschwindigkeit, liegt der Energieverbrauch beim Racewalken mit 14 km/h deutlich höher als beim Laufen mit gleicher Geschwindigkeit.
Schnelles Gehen – effektiv zur Gewichtsabnahme
Gerade völlig untrainierte und übergewichtige Menschen haben oft große Probleme mit dem Laufen zu beginnen, möchten aber dennoch möglichst viel Energie beim Workout verbrauchen. Wie bereits dargelegt, steigt der Energieverbrauch beim schnellen Gehen rasant an und insbesondere bei Übergewichtigen wird der Bewegungsapparat durch das Ausbleiben der Flugphase wie beim Laufen weniger beansprucht. Zum Einstieg in den Ausdauersport und zum Erreichen der eigenen Ziele ist das schnelle Gehen eine sehr gute Alternative zum Laufen. Wer mit normalem Tempo längere Strecken geht, kann ebenso relativ viel Energie verbrauchen, ohne dass das Stütz- und Bewegungssystem wie beim Laufen zu stark belastet wird.
Um allerdings möglichst viel Energie in kürzer Zeit zu verbrauchen, sollten Sie schneller als gewöhnlich gehen, zügig bergauf gehen und falls vorhanden mit Nordic-Walking-Stöcken gehen. Dies erhöht nochmals den Energieverbrauch und ist ein gutes Ganzkörpertraining. Ein Blick auf den angezeigten Puls und dem Energieverbrauch auf der Polar Uhr wird Ihnen dies bestätigen.
Treppensteigen fördert Beinkraft – Energieverbrauch eher gering
Wer mehrere Stockwerke ohne Pause zügig hoch geht, spürt nicht nur die vordere Oberschenkelmuskultur, sondern auch Herz- und Atemfrequenz sind deutlich angestiegen. In Kassel sind die 540 Stufen hinauf zum Herkules ein beliebtes Trainingsterrain. Doch wieviel Energie wird dabei verbraucht. Wir haben den Energieumsatz mit Sportstudierenden der Deutschen Berufsakademie Sport und Gesundheit bestimmt und mit Angaben aus der Literatur verglichen. Die Studierenden trugen dazu ein Polar-Herzfrequenzmessgerät, in das sie ihre persönlichen Daten (Alter, Geschlecht, Gewicht, Ruhe- und Maximalherzfrequenz, Fitnesszustand) eingaben. Aufgabe war es nun, möglichst mit maximaler Anstrengung die Stufen hoch hinauf zum Herkules zu steigen. Zuvor sollte die Studierenden schätzen, wieviel Energie sie dabei verbrauchen würden. Die Angaben lagen in einer Spanne von 200-500 kcal. Die Ergebnisse waren dann allerdings für alle sehr überraschend und ernüchternd: für die Männer wurde nur ein Energieverbrauch von 62-79 kcal und für die Frauen von 38-56 kcal auf der Polaruhr angezeigt. Die Unterschiede erklärten sich vor allem aufgrund der unterschiedlichen Körpermasse. Die Geschwindigkeit des Aufstiegs spielte eine untergeordnete Rolle. Der geringer Energieverbrauch beim Treppensteigen konnte durch wissenschaftliche Studien bestätigt werden.
Kalorienverbrauch beim Treppensteigen: pro Stufe 0,12 kcal (Männer) bzw. 0,09 kcal (Frauen)
Aus der Studie von Teh & Aziz (#) geht hervor, dass bei einer Treppenstufenhöhe von 15 cm und einem Steigetempo von 95 Stufen pro Minute der durchschnittliche Energieverbrauch für Männer bei 0,12 kcal/Stufe und bei den Frauen bei 0,09 kcal/Stufe beträgt. Beim Runterlaufen der Treppen liegt der Energieverbrauch für beide Geschlechter bei etwa 0,05 kcal/Stufe. Vergleicht man diese Angaben mit den Ergebnissen der Studierenden, dann bestätigt sich der über die Herzfrequenz bestimmte geringe Energiebrauch (540 Stufen x 0,12 kcal = 64,8 kcal für die Männer und 540 Stufen x 0,09 kcal = 48,6 kcal für die Frauen). Wer also viel Energie beim Sport verbrauchen möchte, sollte danach eher zügig Wandern oder Laufen. Beim Laufen spielt das Tempo keine Rolle, denn egal, ob sie schnell oder langsam laufen, der Energieverbrauch beträgt 1 kcal pro Laufkilometer mal Körpergewicht-
Literatur:
Teh & Aziz, 2001
Kontakt:
Prof. Dr. Kuno Hottenrott
Deutsche Berufsakademie Sport und Gesundheit
Kuno.hottenrott@dba-baunatal.de