„Back to“ bzw. „stay in“ sports: Bewegung in jeder Lebensphase
Dr. Sabine Nunius
Wann und warum Sportler mit „ihrem“ Sport aufhören und was bei der Rückkehr und beim Dabeibleiben hilft
Wer diese Zeitschrift liest, ist mit ziemlicher Sicherheit sportbegeistert – und mit hoher Wahrscheinlichkeit selbst sportlich aktiv. Doch selbst wenn wir grundsätzlich passionierte Sportlerinnen und Sportler sind und Freude an der Bewegung haben, kann es vorkommen, dass Umstände eintreten, die zu einer längeren Sportauszeit führen. Die Gründe dafür sind vielfältig und individuell verschieden. Mit an oberster Stelle stehen aber sicherlich Zeitmangel, andere Interessen und Verpflichtungen sowie gesundheitliche Gründe und Verletzungen. Dieser Eindruck wird bestätigt, wenn man Umfragen und Studien betrachtet, die untersuchen, warum Menschen generell keinen oder wenig Sport treiben. Hier werden Argumente angeführt wie „ich bin zu faul“, „aufgrund gesundheitlicher Probleme“, „weil ich zu wenig Zeit habe“, „weil ich niemanden habe, der mich begleitet“, „weil ich keinen Wert darauf lege“ und „wegen meines Alters“.
Die hier zitierten Antworten beziehen sich auf die Gesamtbevölkerung und unterscheiden nicht zwischen Sportlern und Nicht-Sportlern. Einige der dabei aufgezählten Aspekte wie etwa „ich lege keinen Wert darauf“ dürften für passionierte Athleten keine Rolle spielen. Andere sind dagegen sicherlich ebenso für Sportler relevant, darunter beispielsweise Zeitmangel, gesundheitliche Probleme und zunehmende Einschränkungen aufgrund des eigenen Alters.
Die Beschäftigung mit den Gründen dafür, warum Menschen keinen oder zu wenig Sport treiben, lohnt sich unter Umständen aber auch dann, wenn man selbst nicht betroffen ist. Das ist etwa dann der Fall, wenn ein Sportler oder eine Sportlerin selbst aktiv ist, dagegen jedoch eine Person im engeren Umfeld sich sehr wenig bewegt. Häufig kommt in solchen Situationen der Wunsch auf, den anderen dazu zu animieren, mehr Sport zu treiben. Diese Konstellation führt leicht zu Konflikten, sei es, weil der Sportfan die Gründe für die Inaktivität nicht nachvollziehen kann, weil er aufgrund seines eigenen Fitnesslevels die Möglichkeiten des Gegenübers vollkommen überschätzt oder weil er zu wenig im Blick hat, welche Hindernisse einem regelmäßigen Training im Alltag des anderen entgegenstehen. Was folgt, sind meist wenig zielführende Diskussionen, beispielsweise mit dem Partner, den eigenen Kindern oder einem Elternteil, die regelmäßig damit enden, dass beide Seiten sich missverstanden fühlen und als Reaktion darauf zunehmend „dicht“ machen. In solchen Fällen kann es helfen, zu versuchen, sich in die Lage des anderen hineinzuversetzen und gemeinsam Lösungen zu finden – das ist zwar keine Geling-Garantie, aber sicherlich erfolgsversprechender als ein simples „mach doch einfach“ oder „wenn du so weiter machst, wirst du immer dicker/unfitter/immobiler“.
Im folgenden Artikel sollen typische Situationen und Lebensumstände vorgestellt werden, in denen der Bewegungsmangel zu einem Thema werden kann. Zudem sollen erste Impulse erfolgen, wie sich dem effektiv entgegenwirken lässt, ganz gleich, ob wir selbst oder andere betroffen sind. Dabei ist wichtig zu berücksichtigen, dass jedes Alter mit spezifischen Herausforderungen einhergeht. Die jeweiligen Hürden und Stolpersteine sollen jeweils im Detail betrachtet werden.
Bewegungsmangel bei Kindern und Jugendlichen: PC, Internet und Co. als (zu) starke Konkurrenz
Spricht man mit (älteren) Sportlern, hört man oft das Klischee, dass „die Kinder von heute“ nur noch vor dem PC sitzen oder am Handy hängen und sich kaum mehr bewegen. Was ist dran an dieser Annahme? Beruhigenderweise scheint sich das tatsächliche Bild nicht ganz so düster zu gestalten wie manchmal geunkt wird und es ist keineswegs so, dass die „heutige Jugend“ durchgängig unsportlich, dick und bewegungslos ist. Gleichzeitig ist jedoch nicht von der Hand zu weisen, dass Bewegungsmangel bereits im Kindesalter ein Problem ist und es eindeutig eine ganze Reihe von Kindern und Jugendlichen gibt, die sich zu wenig bewegen. Einschlägigen Studien zufolge ist darüber hinaus Übergewicht bereits bei Kindern ein Thema. So geht man davon aus, dass im Kindes- und Jugendalter (3-17 Jahre) 15 von 100 Kindern und Jugendlichen von Übergewicht betroffen sind. Zudem weisen 6 von 100 Kindern und Jugendlichen eine Adipositas auf.[1] Dieser Trend setzt sich später fort. Bei den Erwachsenen liegen die Werte für Übergewicht bzw. Adipositas bei 46,6% der Frauen und 60,5% der Männer. Diese Zahlen sind allerdings mit einer gewissen Unschärfe behaftet, da viele der diesbezüglichen Erhebungen auf Selbstangaben beruhen. Gleiches gilt für die Einschätzung, wie viele Menschen aktiv Sport treiben. Recherchiert man die Zahlen der sportlich Aktiven für den Kinder- und Jugendbereich, stößt man auf sehr unterschiedliche Ergebnisse mit stark divergierenden Angaben. Die JIM Studie 2022 des Medienpädagogischen Forschungsverbunds Südwest kommt dennoch vergleichsweise optimistisch zu folgendem Schluss: „Die Corona-Pandemie hat die Lebenswelt von Jugendlichen seit dem Jahr 2020 sehr stark beeinflusst. In vielen Bereichen der Freizeit waren Aktivitäten nicht oder nur eingeschränkt möglich. Mit dem Rückgang der Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus sind die Außen-Aktivitäten wieder angestiegen. Auch Sport treiben wieder mehr Jugendliche regelmäßig (2022: 59 %, 2021: 51 %).“[2] Statista geht noch etwas weiter und titelt aufgrund dieser Daten sowie der Erhebung der KIM-Studie (der analogen Befragung für Kinder von 6 bis 13 Jahren): „U20, die sportlichste Altersgruppe?“[3].
Diese Entwicklungen geben Anlass zu Hoffnung – für eine realistische Einschätzung müssen sie allerdings genauer betrachtet und hinterfragt werden. Beispielsweise gaben bei der KIM 2022 8% der Befragten an, jeden oder fast jeden Tag pro Woche Sport zu treiben; 56% meldeten, ein- oder mehrmals die Woche sportlich aktiv zu sein. Bildet man diesen Wert innerhalb eines Diagramms in einer einzigen Säule ab, entsteht leicht der Eindruck, dass bei über der Hälfte der Kinder bewegungstechnisch alles im grünen Bereich ist. Denkt man jedoch weiter, was diese Angaben für die Praxis bedeuten, zeigt sich, dass es notwendig wäre, deutlich stärker zu differenzieren, um eine solide Aussage treffen zu können. So macht es beispielsweise einen erheblichen Unterschied, ob sich ein Kind einmal pro Woche sportlich betätigt oder fünf Mal – in der Befragung fiele aber beides unter „ein oder mehrmals pro Woche“. Darüber hinaus scheinen ganze 36% schon in sehr frühem Alter überwiegend inaktiv zu sein. Hinzu kommt wie gesagt, dass die erhobenen Zahlen auf selbstgenannten Werten beruhen. Die Verfasser der KiGGS des Robert Koch-Instituts weisen explizit auf diese Problematik hin: „Bei der Interpretation der Ergebnisse muss beachtet werden, dass es sich um Selbstangaben handelt. Es kann also nicht ausgeschlossen werden, dass die Ergebnisse durch soziale Erwünschtheit (d. h. einem Antwortverhalten, bei dem die Befragten eher die Antwort geben, von der sie glauben, dass sie auf Zustimmung trifft [14]) verzerrt sind. Laut den Bestandserhebungen des DOSB ist die Anzahl der Mitgliedschaften von Kindern und Jugendlichen in Sportvereinen in Relation zur Gesamtzahl der Kinder und Jugendlichen in der Bevölkerung in den vergangenen Jahren leicht gesunken.“[4] Grundsätzlich ist also bereits im Kindes- und Jugendalter eher der Bewegungsmangel das Problem.[5]
Eltern und Betreuende als treibende Kraft: Kleinkindalter und frühe Jugend
Woher kommt das und welche Folgen hat dieses Verhalten? Vor allem bei den ganz Kleinen sind sicherlich die Eltern und Betreuenden der ausschlaggebende Faktor. Bis zu einem gewissen Alter sind Nachwuchssportler auf die Förderung und Unterstützung anderer angewiesen, um den angeborenen Wunsch nach Bewegung auszuleben. Ein Faktenblatt des Landeszentrum Gesundheit Nordrhein-Westfalen bringt diese Tatsache lakonisch auf den Punkt: „Kinder und Bewegung erscheinen als siamesische Zwillinge: Gesunde Kleinkinder und Kinder sind wann immer möglich in Bewegung und Bewegung ist ein wesentliches Agens einer gesunden körperlichen und geistigen Entwicklung. Das gilt als Allgemeinplatz und es ist ein konsistent bewährtes Wissen aus Entwicklungsstudien […]. Auch wenn es wenig wissenschaftliche Daten gibt, die eine Abnahme der kindlichen und jugendlichen Bewegungsaktivität beschreiben, scheinen bei naiver Beobachtung alltägliche Bewegungsanlässe wie das freie Spiel oder der aktive Weg zum Kindergarten oder zur Schule nachgelassen zu haben, sportliche Angebote wahrzunehmen.“[6]
In dieser Altersgruppe geht es also in erster Linie darum, einen Rahmen zu schaffen, in dem Kinder ihren Bewegungsdrang ausleben können und Freude an der Bewegung finden. Warum ist das so wichtig? Die Antwort liegt mehr oder weniger auf der Hand. Neben den gesundheitlichen Aspekten sind die Gewohnheiten und Routinen, die in diesem Alter entstehen, von großer Bedeutung. Wer von klein auf daran gewöhnt ist, dass Bewegung ein Teil des normalen Alltagslebens ist und sie mit positiven Erfahrungen verbindet, dem wird es später deutlich leichter fallen, diese Gewohnheiten fortzuführen oder nach einer Pause erneut aufzunehmen. An dieser Stelle sind wie gesagt die Eltern und Betreuenden gefragt. Inspirationen für die Umsetzung gibt es zuhauf[7] – sie müssen lediglich in die Praxis umgesetzt werden! Gleichzeitig müssen sich die sportbegeisterten Eltern mitunter vielleicht selbst etwas zügeln. Ganz klar: Wer für einen Sport brennt, möchte diese Begeisterung oft weitergeben. Werden dabei die Kinder jedoch permanent überfordert, sollen eine Sportart ausüben, für die sie selbst nichts übrighaben oder wünschen sich mehr andere Aktivitäten, gilt es ein Gleichgewicht zu finden, das allen ein Stück weit gerecht wird. Ansonsten droht spätestens im Teenie-Alter die Rebellion in Form eines kompletten Ablehnungsverhaltens und der Verweigerung quasi jeglichen Sports.
Leistungsdruck und Erwartungshaltungen – ein möglicher Motivationskiller bei Teenies
Diese Phase, also das Teenie-Alter, bedeutet sporttechnisch ohnehin oftmals eine erhebliche Herausforderung, was regelmäßiges und (halbwegs) konsequentes Training betrifft. Während sich bei jüngeren Kindern die Interessen meist noch leichter durch das Angebot bzw. die elterliche Motivation lenken lassen, rücken später eigene Hobbys verstärkt in den Vordergrund. Dies geht zwangsläufig zulasten anderer Freizeitaktivitäten und kann bedeuten, dass der Sport deutlich in den Hintergrund gerät und plötzlich andere, „coolere“ Aktivitäten in den Vordergrund treten oder alle Zeichen auf „chillen“ stehen.
Vermutlich kennt jeder, der bereits einmal im Jugendbereich gecoached hat, dieses Phänomen: In den untersten Jahrgangsklassen ist der Andrang noch relativ groß und viele Kinder brennen förmlich darauf, in eine Mannschaft aufgenommen zu werden oder an Wettkämpfen teilnehmen zu dürfen. Ganz anders sieht es dagegen bei den Teenies aus. Hier sinken die Zahlen bedauerlicherweise oft rapide, bei den Mädchen noch deutlich stärker als bei den Jungen.[8] Ursachen hierfür sind neben „keine Lust“ beispielsweise die steigende Belastung durch längere Schultage, Prüfungsphasen und Hausaufgaben sowie die Vielzahl von Konkurrenzangeboten, die sich Jugendlichen online wie offline bietet.
An dieser Stelle sinnvoll gegenzusteuern ist schwierig. Was so gut wie immer nach hinten los geht: Druck und Zwang. Wer nur widerwillig zum Sport geht und diesen als lästige Pflicht ansieht, wird jede sich bietende Gelegenheit nutzen, um ein Training ausfallen zu lassen. Das ist bei den Erwachsenen ganz genauso! Der erfolgversprechendste Weg besteht deshalb meist darin, Angebote und Umfelder zu finden oder zu schaffen, für die die Jugendlichen sich begeistern können und an denen sie gerne teilnehmen. Zudem muss der Terminkalender so gestaltet sein, dass eine halbwegs entspannte Teilnahme überhaupt möglich ist. Wer im Alter von 13 oder 14 dank Fußball, Klavierunterricht, Schwimmtraining, Nachhilfe, Theatergruppe und vielem mehr bereits einen komplett durchgetakteten Tag hat, verliert leicht die Lust an Aktivitäten, die grundsätzlich Spaß machen würden. Ebenso entsteht vielfach der Wunsch nach mehr Gelegenheiten zum „Nichtstun“ sowie nach Zeit zur komplett freien Gestaltung. Spätestens dann, wenn regelmäßig die Zeit zur Erholung fehlt und Müdigkeit bzw. Erschöpfung während der Woche quasi zum Dauerzustand werden, ist ein Gegensteuern angezeigt, etwa in Form einer Reduzierung der bisherigen „Verpflichtungen“, auch auf die „Gefahr“ hin, dass die Klavier- oder Fußballer-Karriere ein recht frühes Ende findet oder der eigene Nachwuchs doch nicht die umfassend kulturell-musisch-künstlerische Bildung erhält, die man sich selbst vielleicht gewünscht hätte.
Professionalisierung im Jugendbereich: eine Entwicklung mit Schattenseiten
Zu hoher Druck kann auch dann zum Problem werden, wenn diverse andere Aktivitäten bereits zurückgefahren oder zugunsten einer einzigen Sportart komplett eingestellt worden sind. Dieser Punkt steht weniger stark im Fokus der Aufmerksamkeit, ist aber durchaus relevant und kreiert eine ganz eigene Form von Druck, der in der Öffentlichkeit eher weniger Beachtung findet. Was den meisten bewusst ist: Es gibt aktuell eindeutig zahlreiche Kinder und Jugendliche, die sich zu wenig bewegen. Auf der anderen Seite gibt es aber ebenso Kinder und Jugendliche, die bereits in sehr jungem Alter höchst intensiv eine Sportart betreiben. Diese zunehmende Professionalisierung des Leistungssports im Kindes- und Jugendalter geht mit diversen Problemen einher und stellt einen maßgeblichen Faktor dafür dar, dass Teenies mit dem Sport aufhören, obwohl sie vormals begeistert waren. Kody Moffatt, der Leiter der Abteilung der Kindersportmedizin am Children’s Nebraska Krankenhaus gibt in einem Interview interessante Einblicke:
„Kinder sind natürlich keine Profis, aber viele junge Athleten geraten in eine Welt hinein, in der sie so behandelt werden, als wären sie es. Die Eltern investieren viel Zeit und Geld, um ihren Kindern zu ermöglichen, mit speziellen Teams zu trainieren und die Ausrüstung zu kaufen. Sie erwarten dafür „Ergebnisse“. Die Eltern fahren die Kinder über weite Strecken für Sportarten, die das ganze Jahr über betrieben werden – mitunter sogar mehr als eine davon. Oft führt das, vielleicht ungewollt dazu, dass die Kinder komplett aus dem Sport aussteigen. […] „Kinder wollen aktiv bleiben, spielen, und Spaß mit ihren Freunden haben. Gewinnen und Verlieren ist etwas, das für sie weniger wichtig ist“, so Moffatt. Zirka 70% der Kinder steigen bis zum 13. Lebensjahr aus dem Sport aus und die sogenannte „Professionalisierung des Jugendsports“ kann einem Bericht […] der American Academy of Pediatrics (AAP) als dafür ausschlaggebender Faktor gar nicht stark genug in den Vordergrund gerückt werden.“[9]
Sicherlich ist die Situation in den USA nicht 1:1 auf die Bedingungen in Deutschland übertragbar. Dennoch finden sich auch hier „Sportlerdynastien“ und sehr ambitionierte Familien, in denen die Kinder von klein auf ein strenges Trainingsprogramm durchlaufen. In diesen Fällen beginnt der Einstiegt in eine bestimmte Sportart mit dem Ziel Leistungssport also sehr früh. Das schafft potenziell ein erhebliches Dilemma: Nicht selten handelt es sich bei den Nachwuchsathleten um talentierte und sportbegeisterte Kinder. Werden sie allerdings von Beginn an konsequent mit sehr hohem Druck bis hin zur Überforderung konfrontiert, wirkt sich das negativ auf die nachfolgende Sportkarriere aus. Neben körperlichen Folgen, etwa durch Überlastungen und Verletzungen, verlieren sie den Spaß am Sport – und zwar manchmal so nachhaltig, dass sie irgendwann die Reißleine ziehen und in einer Art Überreaktion zunächst alles ablehnen, was in irgendeiner Form mit sportlicher Aktivität und Training verbunden ist. Das ist enorm bedauerlich, da auf diese Weise teilweise höchst talentierte Kandidaten, die anfangs großen Spaß am Sport hatten, mit dem Ausstieg aus dem Leistungssport nicht nur die potenzielle „Karriere“, sondern gleichzeitig ein vormals geliebtes Hobby verlieren.
Nach dem Komplett-Aus wieder zurückfinden: Motivation und neue Perspektiven als entscheidende Faktoren
Grundsätzlich ist der Wunsch, nach einer frustrierenden und mental wie physisch belastenden Erfahrung zunächst Abstand zu gewinnen, absolut nachvollziehbar und sinnvoll, selbst wenn das mit einem zwischenzeitlichen Ausstieg aus jeglicher Form von Sport einhergeht. Kurzfristig ist eine solche Reaktion unproblematisch. Sofern davor ein Zustand des Übertrainings vorgelegen hat, tut die längere Auszeit dem Körper teilweise sogar gut. Problematischer wird es jedoch, wenn diese Zustände länger andauern. Denn mittel- bis langfristig entsteht leicht ein Teufelskreis: Mit zunehmender Untätigkeit sinkt das Fitnesslevel. Selbst wenn sich in jungen Jahren noch keine gravierenderen körperlichen Beschwerden einstellen, sind einzelne Folgen irgendwann doch deutlich spür- und sichtbar, etwa in Form von Gewichtszunahme oder einem unzureichenden allgemeinen Fitnesszustand im Alltag. Diesen Abbau erkennen die ehemaligen Leistungssportler natürlich selbst ebenfalls. Für sie ist der Unterschied in der Regel sogar noch eklatanter als etwa bei Hobbysportlern, die längere Zeit nicht trainieren und irgendwann eben „nicht mehr ganz so fit sind“. Bei früheren Profis können zwischen der physischen Höchstform und dem Zustand nach ein oder zwei Jahren der Untätigkeit gefühlt Welten legen. Das frustriert zusätzlich und demotiviert, überhaupt wieder anzufangen, wenn sich immer klarer abzeichnet, dass das frühere Fitnessniveau voraussichtlich nie mehr erreichbar sein wird – und das, obwohl man, überspitzt gesagt, noch keine 25 ist. Bestenfalls gelingt es dennoch, hier das Ruder wieder herumzureißen und auf einem neuen, weniger intensiven Level erneut mit dem Sport zu beginnen und beispielsweise eine ganz neue Disziplin für sich zu entdecken. Wichtig ist dabei für viele, die Ansprüche an sich selbst herunterzuschrauben und beispielsweise auch dann mit einer Trainingseinheit zufrieden zu sein, wenn die Umfänge und Ergebnisse deutlich unter dem liegen, was früher möglich war. Gelingt dieser Schritt nicht, beobachtet man leider immer wieder, dass Unzufriedenheit, Ärger, Gereiztheit etc. in irgendeiner Form kompensiert und oder abgepuffert werden, sei es mit Essen, Alkohol, Gaming oder anderen Formen der „Betäubung“. Die Folge: Der körperliche Zustand verschlechtert sich, das Fitnesslevel sinkt weiter, die Stimmung geht ebenfalls in den Keller und es wird immer schwieriger und mühsamer, sich doch aufzuraffen und den Wiedereinstieg in die Bewegung zu schaffen. Ist dieser Punkt einmal erreicht, kann es hilfreich sein, sich externe Hilfe zu suchen, je nach Problemlage entweder durch Freunde und Trainingspartner oder durch einen professionellen Coach. Gleiches gilt, wenn der Sportausstieg verletzungsbedingt erfolgt ist. Hier greifen ähnliche Mechanismen und, abhängig von der Schwere der Verletzung, ist neben der rein physischen Betreuung bei der Rehabilitation auch Unterstützung im mentalen Bereich sinnvoll. Welche Herausforderungen dabei entstehen und was potenziell hilft? Mehr Info zu diesem Thema findet sich in einem eigenen Artikel, erschienen in der Athletik 1-24 und 2-24!
[1] https://www.rki.de/DE/Content/Gesundheitsmonitoring/Themen/Uebergewicht_Adipositas/Uebergewicht_Adipositas_node.html, abgeruf. 02.10.2024
[2] https://www.mpfs.de/fileadmin/files/Studien/JIM/2022/JIM_2022_Web_final.pdf, abgeruf. 16.10.2024
[3] https://de.statista.com/infografik/30367/umfrage-zum-sport-treiben-von-kindern-und-jugendlichen-in-deutschland/, abgeruf. 16.10.2024
[4] https://www.rki.de/DE/Content/Gesundheitsmonitoring/Studien/Adipositas_Monitoring/Verhalten/HTML_Themenblatt_Koerperliche_Aktivitaet.html, abgeruf. 16.10.2024
[5] https://www.zeit.de/gesundheit/2024-01/kinder-bewegungsmangel-corona-studie-negativtrend
[6] https://www.lzg.nrw.de/_media/pdf/ges_foerd/bewegungsfoerderung/faktenblaetter/kinder_faktenblatt_lzg-nrw.pdf, abgeruf. 16.10.2024
[7] Vgl. etwa https://www.kindergesundheit-info.de/themen/entwicklung/alltagstipps/entwicklungsschritte/bewegungsfreude-unterstuetzen/, abgeruf. 16.10.2024
[8] https://www.wissenschaft.de/rubriken/deutschlandkarten/mehr-jungen-sind-im-sportverein/, abgeruf. 16.10.2024
[9] https://eu.usatoday.com/story/sports/2024/01/22/70-of-kids-drop-out-of-youth-sports-by-13-new-aap-study-reveals-why/72310189007/, abgeruf. 16.10.2024